Eisige Naehe
Name?«
»Unwichtig. Er weiß schon, wer ich bin. Trotzdem vielen Dank und auf Wiedersehen.«
Er begab sich mit dem Fahrstuhl in die Tiefgarage und betätigte die Fernbedienung, nur ein leises, dezentes Klacken war zu vernehmen, als die Türen entriegelt wurden. Er öffnete die Fahrertür und stieg ein. Er wollte den Startknopf drücken, doch seine Hand fing urplötzlich an zu zittern, er war kaum in der Lage, den Arm zu heben. Alles an ihm zitterte, mit letzter Kraft gelang es ihm, die Krawatte zu lockern, dann fiel er kraftlos zurück in den Sitz. Sein Atem ging schwer, er fragte sich, ob er vielleicht zu viel getrunken hatte, doch es waren nur zwei Bourbon und ein Wodka gewesen. Ihm war übel, aber nicht so, dass er sich hätte übergeben müssen. Mit einem Mal ging die Beifahrertür auf, und ein Mann mit braunen Handschuhen setzte sich neben ihn und zog die Tür zu.
»Hallo, Dieter - oder sollte ich besser Bernhard sagen«, sagte der Fremde mit kaltem Lächeln und klopfte dem Mann hinter dem Steuer auf die Schulter, als wären sie beste Freunde. »Sie sehen schlecht aus, verdammt schlecht sogar. Geht es Ihnen nicht gut?«
Er wollte etwas sagen, doch nur seine Lippen bewegten sich, ohne dass ein Laut seinen Mund verließ. »Soll ich einen Arzt rufen?«
Keine Antwort, nur ein Luftholen, das wie Rasseln klang.
»Nein, ein Arzt könnte dir auch nicht mehr helfen. Es ist dir doch recht, wenn ich dich duze? ... Dachte ich mir. Ich bin George Hamilton, na ja, vielleicht auch nicht. Ich habe viele Namen. Ich bin nur gekommen, um dir mitzuteilen, dass du sterben wirst. Ich weiß, du bekommst alles mit, was ich dir sage, und es wird noch ungefähr fünf, maximal sechs Minuten dauern, bis du tot bist. Deshalb will ich auch keine Zeit verlieren, denn jede Sekunde zählt, im wahrsten Sinn des Wortes. Aber sei mal ehrlich, es ist wahrlich kein Verlust für die Menschheit, wenn du nicht mehr unter den Lebenden weilst. Nach all der Scheiße, die du gebaut hast, siehst du das doch sicherlich ein, oder?« Keine Antwort.
»Oh, entschuldige bitte, ich habe vergessen, dass du ja nicht mehr sprechen kannst. Erst Bruhns, dann Klein und jetzt du. Ich will dir nur kurz erklären, dass du der Dritte auf meiner Liste, aber nicht der Letzte bist. Falls du wissen möchtest, was mit dir los ist, nun, ganz einfach, du bist mit einem Kontaktgift in Berührung gekommen. Ein rein chemisches Produkt, das schon wenige Minuten nach deinem Tod nicht mehr nachweisbar ist. Es geht sofort in die Blutbahn über, und das Üble ist, es gibt kein Gegenmittel, nichts, womit man dir helfen könnte. Dumm gelaufen, was? Und noch etwas zum besseren Verständnis, auch wenn es dir nicht mehr viel bringt, ich bin diesmal in eigenem Auftrag unterwegs, weil ich eure schmutzigen Spielchen erst jetzt durchschaut habe. Na ja, jedenfalls halbwegs, denn mir ist klar, dass ich auch kaum mehr als den Rand des Abgrunds sehe. Alle möglichen Aufträge habe ich für euch erledigt, aber damit ist jetzt Schluss. Wenn ich gewusst hätte, dass ihr Kinder opfert, um Geschäftspartner zufriedenzustellen, ich wäre schon längst ausgestiegen. Solltet ihr mich jagen und irgendwann erwischen, dann wirst du das garantiert nicht mehr erleben. Hast du mich verstanden? Ich weiß, dass du mich verstanden hast, auch wenn es dich innerlich förmlich zerreißt. Die Katalepsie wird bald vorbei sein, dein Herz wird wie ein Formel-1-Bolide rasen, und dann ist alles aus. Aus und vorbei.«
Er hörte die Worte, aber er war unfähig, sich zu bewegen, als wäre er in seinem eigenen Körper gefangen, sein Blut schien zu kochen und wie Lava durch seine Adern zu kriechen. Er war es gewohnt, kühl und gelassen zu agieren, und mahnte sich zur Ruhe, doch die unbändige Angst vor dem Tod war stärker, vor allem, nachdem ihm dieser George Hamilton unmissverständlich zu verstehen gegeben hatte, dass er sterben würde. Alles verschwamm vor seinen Augen, die er nicht mehr schließen konnte, weil auch dieser Reflex nicht mehr funktionierte, ihm wurde schwindlig, wie von Hamilton prognostiziert, begann sein Herz zu rasen, Schweiß drang aus jeder Pore, sein Gesicht lief für wenige Sekunden tiefrot an, er wollte um Hilfe schreien, doch nur leises, heiseres Krächzen drang aus seiner Kehle und wurde zu einem seltsam klingenden Röcheln, alles Schreien spielte sich allein in seinem Innern ab. Ein Eisenpanzer war um seine Brust gelegt und wurde immer fester zusammengezogen, bis er keine Luft mehr bekam und
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