Eisige Naehe
Fragen parat hatte, aber nun rat- und hilflos wirkte. »Das wollten wir eigentlich von dir hören. Was fangen wir mit diesem Wissen an? Es für uns behalten und so tun, als wäre alles in bester Ordnung? Das wäre natürlich der einfachste Weg ...«
»Es ist nicht nur der einfachste Weg, es ist der einzige Weg. Noch mal - und hört bitte, bitte gut zu: Der Fall ist geklärt, und damit hat es sich. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
»Du hast Angst?«, stieß Santos hervor und schüttelte den Kopf, weil sie ihren Vorgesetzten nicht wiedererkannte. »Es geht nicht darum, ob ich Angst habe, es geht um die Fakten. Die wurden nicht nur am Freitag bundesweit bekanntgegeben, ich habe sie heute Morgen auch auf meinen Schreibtisch bekommen. Hier, kannst sie gerne lesen.« Harms schob ein paar Blatt Papier über den Tisch, doch Santos machte keine Anstalten, sie sich anzusehen. Harms' Reaktion war ihr auf den Magen geschlagen. »Mehr wollten Sören und ich gar nicht hören. Wir halten uns da raus.« »Sehr gut. Das war's?«
»Ja, im Prinzip schon. Ich frage mich nur, wovor du solche Angst hast?«
»Ich habe keine Angst, aber ihr wisst, wie das ist, wenn man unnötig Staub aufwirbelt: Man hustet und keucht und wird dreckig. Vielleicht verliert man auch den Job und damit die Pensionsansprüche, nun, die Spirale ist endlos. Muss ich noch deutlicher werden?« »Nein, nicht nötig, wir haben dich auch so verstanden. Aber wir oder unsere Kollegen von der Soko werden möglicherweise einen Unschuldigen verhaften, das ist dir doch hoffentlich klar? Wäre ja nicht das erste Mal in der Kriminalgeschichte«, konterte Santos zynisch. »Natürlich. Aber ich werde einen Dreck tun und meinen oder unseren Arsch aufs Spiel setzen. Kapiert? Ich erwarte von euch absolute Diskretion in dieser Sache. Am besten, ihr vergesst das alles - so wie ich das tun werde. Als hättet ihr nie davon gehört.«
»Wir haben nie davon gehört. Aber eins darf ich dir noch sagen, bevor Sören und ich gehen ...«
»Was?«
»Vor nicht allzu langer Zeit hättest du noch anders reagiert, du hättest auf Teufel komm raus versucht, diese Schweinerei aufzuklären, und wenn's nur für uns gewesen wäre. Schade. Du hast dich verändert, und ich weiß nicht, warum.«
»Das hat nichts mit Veränderung zu tun, sondern mit Erfahrung. Du wirst mir eines Tages noch danken, dass ich euch vor einer Dummheit bewahrt habe. Jetzt verschwindet aus meinem Büro und haltet mich auf dem Laufenden. Die Uhr tickt und tickt und tickt.« »Wir sind schon weg. Wer immer die Suppe gekocht hat, wir werden nicht reinspucken, großes Ehrenwort. Komm.« Santos warf Harms einen eindeutigen Blick zu. »Du brauchst mich gar nicht so vorwurfsvoll anzuschauen, und den sarkastischen Unterton kannst du dir auch sparen ...«
»Wir melden uns von unterwegs. Ach ja, wir haben dich nur informiert, weil wir meinten, du hättest ein Recht auf diese Neuigkeit.«
»Danke, ich habe es zur Kenntnis genommen und werde es als erledigt abhaken.«
Santos und Henning spürten seinen Blick im Rücken, selbst als sie die Tür bereits hinter sich zugemacht hatten.
Auf dem Flur sagte Henning: »Letztlich hat Volker recht. Und er hat Angst, was ich ihm nicht verdenken kann.« »Trotzdem, er hat sich verändert. Ich begreife nicht, was in letzter Zeit mit ihm los ist. Hat er private Probleme?«
»Keine Ahnung, ich weiß über sein Privatleben so gut wie nichts. Trotzdem seltsam, wie er sich verhalten hat. Du musst zugeben, wenn wir uns in diese Sache reinhängen, können wir uns nur selbst schaden. Es wäre ein Kampf gegen Windmühlen. Wir sind aber nicht Don Quijote und Sancho Pansa. Ich ...« »Ich weiß, ich weiß. Trotzdem darf ich mich doch wohl mal aufregen, oder? Geht auch wieder vorbei. Mich kotzt diese Machtlosigkeit an. Wir sind eben nur die kleinen Bullen, jemand sagt hopp, und wir springen. So einfach ist das.«
»Du hast es erfasst.«
Ihr erster Weg führte sie in die Kriminaltechnik, um ein paar Worte mit Tönnies zu wechseln. Danach wollten sie in die Rechtsmedizin.
MONTAG, 10.35 UHR
Ich hatte euch früher erwartet«, wurden sie von Tönnies begrüßt. Er fixierte Henning und Santos, erhob sich von seinem Schreibtischstuhl und meinte: »Ich mach mal die Tür zu, muss ja nicht jeder hören, was wir hier bequatschen.«
»Wir sind auch nur kurz hier, um ...« Tönnies hob die Hand. »Alles, was ihr wissen solltet, hat euch Jürgens schon mitgeteilt. Es tut mir leid, aber ich kann
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