Eisige Naehe
auf sich beruhen, es wäre für alle Beteiligten besser. Und, auch das habe ich vorhin mit Günter besprochen, wir halten es für immer wahrscheinlicher, dass sich jemand mit uns einen Jux erlaubt hat. Günter hat nämlich ein paar Stäbchen aus einer alten Charge getestet und ... Vielleicht war's sogar einer von der Spusi, der sich jetzt ins Fäustchen lacht und ...« »Den Quark glaubst du ja wohl selbst nicht«, sagte Santos und tippte sich an die Stirn. »Erzähl diesen Quatsch jemand anderem, aber nicht uns.«
»Doch, es ist für mich sogar die plausibelste Erklärung. Dass der- oder diejenige uns damit aber womöglich in Teufels Küche gebracht hat, hat die Person nicht bedacht. Tut mir leid, ich glaub nicht an eine Verschwörung oder Vertuschung, nicht in diesem Fall. Bruhns wurde umgelegt, wahrscheinlich von einem Auftragskiller. Die Person, egal ob männlich oder weiblich, hat den Job erledigt, aber gewiss nicht absichtlich seine oder ihre DNA hinterlassen.«
»Auf Bruhns' Schniedel und Steinbauers Lippen, wenn ich mich recht entsinne«, sagte Santos. »Richtig. Auch das spricht gegen alles, was in den vergangenen Jahren an den Tatorten sichergestellt wurde. Nie wurde die DNA an solch markanten Stellen gefunden, sondern immer an einem Gegenstand, am Auto, an einer Coladose et cetera pp. Aber nie an einem Menschen. Ganz ehrlich, ich glaube, da will uns jemand reinlegen.«
»Dann weißt du ja, welches Märchen du Claudia gleich auftischen kannst«, meinte Henning. »Merkst du eigentlich gar nicht, was für einen Stuss du redest? Erst hast du Angst um deinen Job, dann sind's irgendwelche dubiosen Burschen ganz oben, dann war's auf einmal nur ein böser Streich ... Kannst du dich vielleicht mal für eine Version entscheiden?«
»Konzentriert euch auf den Fall und nicht auf eine nichtexistente DNA. Mehr kann ich euch nicht raten. Ich muss zurück in die gute Stube.«
»Das ist eine klare Ansage. Danke für deine Hilfe und Kooperation, wir wissen das sehr zu schätzen, Professor Jürgens«, sagte Henning und legte noch eine Schippe Zynismus obendrauf.
Jürgens blieb an der Tür stehen, die Klinke in der Hand, kniff die Augen zusammen, kam zurück und stoppte vor Henning.
»Was willst du?«
»Falsche Frage. Was willst du? Lisa und ich sind in den letzten Jahren wahrlich schon oft genug verarscht worden, da brauchen wir weder dich noch Günter dazu. Wenn ihr die ominöse DNA gefunden habt, dann steht dazu. Wenn es tatsächlich nur ein übler Scherz war, okay, ich werde nie wieder ein Wort darüber verlieren. Aber sag uns die Wahrheit. Beweis uns von mir aus, dass es ein übler Scherz war, und wir sind zufrieden und können uns mit klarem Kopf unserer weiteren Ermittlungsarbeit widmen. Wir wollen nur die Wahrheit.« »Wahrheit?«, stieß Jürgens hervor, der zunehmend nervöser wurde und dem Druck, den Henning aufbaute, nicht gewachsen schien, obwohl er sonst die Ruhe in Person war. Er biss sich auf die Unterlippe, als suchte er nach den passenden Worten, doch es war nur die Anspannung, die ihn für einen Moment innehalten ließ. Schließlich fuhr er erregt fort: »Was ist denn die Wahrheit? Eine gut verpackte Lüge kann die perfekte Wahrheit sein, es kommt nur auf die Verpackung an ...«
»Oh, oh, oh, nicht dieser philosophische Quark«, wehrte Henning ab.
»Mensch, Sören, mach die Augen auf! Es läuft nicht immer so, wie wir uns das wünschen. Okay, ihr seid verarscht worden, ihr werdet aber auch in Zukunft verarscht werden. Die Wahrheit liegt nicht in der Mitte, sondern sie ist ein Teil der Hierarchie, und die Hierarchie ist eine Pyramide, und ganz unten an der Basis, da findest du die Wahrheit. Je höher du steigst, umso mehr verschwimmt alles. Wahrheit, Lüge, Lüge, Wahrheit, wo ist der Unterschied? Verdammt, ich habe keine Ahnung, diese ganze Scheiß weit ist eine einzige Lüge. Willst du wegen diesem kleinen bisschen alle verrückt machen? Wenn dein Vorgesetzter sagt, das und das ist die Wahrheit, dann hältst du besser den Mund. Wenn sein Vorgesetzter sagt, das und das ist die Wahrheit, dann hält Harms die Klappe. So geht das immer weiter, bis an die Spitze. Ich will euch keine Vorschriften machen. Was ihr tut oder lasst, ist allein eure Sache, Entscheidungsfreiheit nennt man so was. Nur, mit den Informationen, die ich euch gegeben habe, könnt ihr nichts, aber auch rein gar nichts anfangen. Capito? Es gibt nämlich keine Informationen, zumindest nicht mehr von mir, weil ich mich komplett
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