Eisige Naehe
der Alkohol ist mir ausnahmsweise mal aufs Hirn geschlagen, wer weiß? Macht's gut und fahrt vorsichtig. Wir sehen uns, den vollständigen Bericht beziehungsweise den vollständigen Bericht mit einigen Auslassungen habt ihr morgen Mittag auf dem Tisch. Noch mal zur Erinnerung, ich bin raus aus der Nummer, eigentlich war ich nie wirklich drin, bin mehr durch Zufall da reingestolpert. Ciao.«
»Ciao und danke für alles«, sagte Henning und klopfte Jürgens auf die Schulter.
»Da nich für, war ein Freundschaftsdienst. Ich hoffe nur, dass ihr meine Freundschaft nicht missbraucht.« »Eine Frage noch, du musst sie nicht beantworten, aber es würde mich schon interessieren«, sagte Henning. »Du hast vorhin gesagt, dass du es Claudia erzählen wirst. Seid ihr zusammen?«
Jürgens lächelte. »Irgendwann hättet ihr's ja doch erfahren - ja, wir sind zusammen. Posaunt es aber nicht gleich in der Gegend rum, ist noch zu frisch.« »Wir doch nicht. Weiß ja auch kaum jemand das von Lisa und mir. Also dann, tschüs.«
Als Santos den Motor startete, sagte Henning lächelnd: »Wir sind tolle Vorbilder, was? Wenn wir jetzt pusten müssten, wie viele Promille hätten wir?« »Das ist mir heute so was von egal. Außerdem bin ich nicht betrunken, hat wohl was mit dem aufbauenden Gespräch zu tun.«
Kaum zehn Minuten später hatten sie die Wohnung erreicht, um halb zwölf lagen sie im Bett. Santos sagte ins Dunkel hinein: »Angenommen, Klaus hat mit allem recht, wie gehen wir vor?«
»Das besprechen wir ganz bestimmt nicht jetzt, ich bin hundemüde.«
»Ich nicht, obwohl ich's eigentlich sein müsste. Ich setz mich noch ein bisschen ins Wohnzimmer.« »Und da?«
»Keine Ahnung. Fernsehen oder Musik hören.« »Erzähl doch nicht so 'n Mist, du willst dir mal wieder eine Strategie überlegen«, konstatierte Henning. »Und wenn? Was willst du dagegen unternehmen, alter Mann?«
»Nenn mich nicht alter Mann, du weißt, ich mag das nicht.«
»Schlaf gut, alter Brummbär«, sagte sie, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und stand auf. Im Wohnzimmer nahm sie sich Block und Stift und setzte sich an den Esstisch. Sie notierte alle bisher vorliegenden Fakten, vergewisserte sich ein paarmal, auch nichts vergessen zu haben, und schrieb dann:
1. Warum Bruhns?
2. Auftragskiller?
3. DNA, zu wem gehört sie?
4. Wer ist/sind der/die Auftraggeber des Killers oder der Killerin?
5. Rüter? (Warum die Frist? Falsches Spiel? Vorsicht mit voreiligen Verdächtigungen!)
6. Tönnies und Jürgens, warum haben sie solche Angst, ihre Erkenntnisse publik zu machen?
7. Innenminister
8. Beretta 92
9. Schalldämpfer
10. Täter kannte Bruhns.
11. Atropin, Gift. Wollte er seine Opfer leiden sehen?
12. Falls Auftragskiller, wie viele Taten gehen auf sein Konto?
13. DNA identisch mit Auftragskiller?
14. Wo setzen wir an, ohne aufzufallen?
15. Wer kann uns helfen? (Ganz wichtig!!!)
16. Wir dürfen uns anderen gegenüber nichts über die neuesten Erkenntnisse anmerken lassen, Harms ausgenommen.
17. Täter aus Kiel oder noch in Kiel?
Um halb zwei ging sie zu Bett und rollte sich in ihre Decke, es war kalt im Schlafzimmer. Sie hatte Mühe einzuschlafen, in ihrem Kopf kreisten die Gedanken wie ein Karussell. Erst gegen drei schlief sie endlich ein. Als um sieben der Wecker klingelte, fühlte sie sich gerädert wie seit ewigen Zeiten nicht mehr. Verfluchter Whiskey, dachte sie und blieb noch fünf Minuten liegen, während Henning schon im Bad war. Sie fragte sich, wie sie den vor ihr liegenden Tag überstehen sollte, sie hatte Kopfschmerzen, und ihr war übel. Sie stand auf und aß eine Banane. Dann trank sie ein Glas Wasser und nahm eine Tablette gegen die Kopfschmerzen. Allmählich fühlte sie sich besser. Als Henning aus dem Bad kam, sah er den vollgeschriebenen Block auf dem Tisch. »Was ist das?« »Lies, und wenn dir noch was einfällt, schreib's dazu«, sagte sie nur und verschwand im Bad. Henning las die vier Seiten und legte den Block zurück auf den Tisch, ohne etwas hinzuzufügen. Bei einem kurzen Frühstück gingen sie einige der Punkte durch und entschieden, die Liste mit Harms zu besprechen. Vor allem wollten sie wissen, inwieweit sie frei ermitteln durften. Um Punkt acht Uhr verließen sie das Haus, wissend, dass ein langer, anstrengender Tag vor ihnen lag. Unterwegs hielten sie kurz an, um zwei Tageszeitungen zu kaufen, die in großen Lettern über das Ableben von Peter Bruhns
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