Eisige Schatten
stärker und komplexer. Das erste Opfer wurde körperlich nicht gefoltert, obwohl wir davon ausgehen können, dass er es emotional in Angst und Schrecken versetzt hat, bevor er ihm die Kehle aufschlitzte. Das zweite Opfer hat sich entweder zur Wehr gesetzt – mit einem gewissen Erfolg vermutlich –, oder er hatte von Anfang an vor, ein blutiges Gemetzel zu veranstalten, nur um herauszufinden, wie sich das anfühlt.«
»Großer Gott«, murmelte Matt.
»Interessant, dass er auf diesen Exzess einen viel ruhigeren und stilleren Mord folgen ließ, bei dem er eine Maske getragen haben könnte, die ausdrücklich dazu gedacht war, seinem Opfer Angst einzujagen. Er war nach dem Jameson-Mord zweifellos erschöpft, doch er war offensichtlich unbefriedigt.«
Matt schnaubte. »Ivy hat vermutlich in ihrem Leben nie einen Mann befriedigt – nicht mal im Tod.«
Bishop lächelte schwach. »Ja, sie ist das Opfer, das sich von den anderen abhebt, nicht wahr?«
Matt lehnte sich zurück. »Wollen Sie damit sagen, dass es etwas bedeuten könnte?«
»Das würde mich nicht überraschen. Die anderen Opfer bewegen sich im Alter zwischen fünfzehn und zweiunddreißig Jahren – Jameson war beträchtlich älter. Die anderen Opfer waren nach allen Maßstäben recht attraktiv – Jameson nicht. Sie war die Einzige, die zu Hause ermordet wurde, und sie muss den Mörder ins Haus gelassen haben. Und während das Ramsay-Mädchen mit offensichtlich gewaltiger Wut zerstückelt wurde, müssen wir beachten, dass sie zuvor getötet wurde. Jameson starb während des Kampfes, der den Tatort zu einem blutigen Schlachtfeld machte.«
»Er könnte also einen Grund gehabt haben, Ivy besonders zu hassen, und hat sie deswegen ausgewählt – meinen Sie das damit?«
»Es ist eine Möglichkeit. Die anderen drei Opfer sind anscheinend durch eine Kombination von Aussehen und Verletzbarkeit ausgewählt worden, aber Jameson passt nicht dazu. Könnte nicht schaden, herauszufinden, warum das so ist.«
Matt nickte. »In Ordnung. Ich schicke ein paar meiner Leute los, um die Nachbarn und Ivys Bekannte noch mal zu befragen. Ivy hat jedoch regelmäßig Leute auf die Palme gebracht, also kann das Aussieben eine Weile dauern.«
»Haben Sie mittlerweile herausgefunden, ob es fehlende Gegenstände bei den ersten drei Opfern gibt?«
»Ja, es sieht so aus – und ich könnte mich ohrfeigen, dass ich da nicht früher nachgefragt habe.«
»Die Gegenstände werden keine Rolle spielen, bis Sie einen brauchbaren Verdächtigen haben. Sie werden uns vermutlich nichts Hilfreiches über den Mörder verraten oder einen Hinweis geben, wo wir ihn finden können. Aber sie liefern ein paar Nägel für seinen Sarg, sobald wir ihn in Gewahrsam haben.«
»Falls uns das je gelingt.« Matt hielt inne, fuhr dann energisch fort: »Wir können nicht absolut sicher sein, aber gestern Abend und heute Morgen habe ich von meinen Leuten bei den Familien nachfragen und, im Fall von Jill Kirkwood, ihr Haus durchsuchen lassen. Becky Smith trug, laut ihrer Mutter, fast immer eine dünne Goldkette. Sie wurde nicht bei der Leiche gefunden und ist auch nicht in ihrem Schmuckkasten. Ivys Mutter behauptet, Ivy hätte stets eine Pfauenbrosche zum Kirchgang getragen, und die ist ebenfalls nicht zu finden. Bei den Kleidungsstücken des Ramsay-Mädchens fehlt ein Slip, also können wir davon ausgehen, dass er auch von Jill Kirkwood etwas mitgenommen hat, wenn wir auch nicht wissen, was.«
»Trophäen«, sagte Bishop. »Er wird diese Gegenstände in seinem Besitz haben, wahrscheinlich in einer Schublade oder einer Schachtel.«
»Wie Sie sagten, das wird uns helfen, falls wir ihn schnappen.« Matt seufzte.
»Sie werden ihn schnappen. Der eine Fehler, den er beständig macht, ist das enge Umfeld einer eng verbundenen Gemeinschaft, in dem er sich bewegt. Früher oder später wird er eine nachweisbare Verbindung zu einem seiner Opfer haben.«
»Ja«, sagte Matt. »Aber wie viele Opfer wird es geben, bevor wir ihn fassen?«
Auf den Straßen war wegen der nächtlichen Graupelschauer und des kalten, bewölkten Vormittags nicht viel Verkehr, aber das war nur zu begrüßen. Und er bezweifelte, dass sie so bald mit etwas rechnen würden, und das war ebenfalls gut.
Aber das Beste von allem war, dachte er, dass sie nie, auch in einer Million Jahren nicht, von ihm erwarten würden, sein Opfer von einem fraglos so sicheren Ort fortzulocken. Die Kirchenglocken begannen zu läuten, und er lächelte.
Sie
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