Eisige Umarmung (German Edition)
gegenseitig in Schach hielten.“
Judd nickte. „Genau. Und wenn der Angriff auf ihre Computer sie nicht abschreckt, werden sie weiter auf euch und euren Alliierten herumhacken, bis ihr eure Machtbasis verloren habt. Dann werden sie still und leise andere Rudel ansiedeln, die auf Seiten des Rats stehen.“
Seine letzten Worte schlugen wie eine Bombe ein. Von überall her stürmten Fragen auf ihn ein, bis er die Hand hob und um Schweigen bat. „Ja, es stimmt“, sagte er. „Es gibt Rudel, die Abkommen mit dem Rat geschlossen haben, gegen Geld oder Land oder einfach nur, um vor Angriffen geschützt zu sein.“
Hawke sah immer mehr wie ein Wolf aus. „Das heißt, selbst wenn es uns gelingen sollte, mit den anderen Rudeln in Kontakt zu treten, um Revierkämpfe zu vermeiden, wüssten wir nicht, ob sie uns nicht doch verraten?“
„Ich würde davon ausgehen, dass der Rat jedes Wort erfährt.“
„Das könnten wir auch zu unserem Vorteil nutzen“, stellte Lucas fest.
Hawke nickte. „Nach dieser Operation werden wir uns überlegen müssen, wie wir eine Kommunikationskette aufbauen – die Rudel dürfen nicht länger isoliert voneinander sein. Sonst werden wir nicht überleben.“
Bald darauf war die Besprechung beendet, und Judd nahm sofort Verbindung zum Gespenst auf. Er wollte die Höhle nicht verlassen, deshalb bat er verschlüsselt darum, ihn auf einer sicheren Leitung zu sprechen. Sekunden später meldete sich das Gespenst: „Man kann diesen Anruf wahrscheinlich nicht zurückverfolgen, aber wir sollten trotzdem nicht zu lange reden.“
„Einverstanden.“ Judd schilderte die Situation der Hirsche, ohne allerdings die Wölfe oder die Leoparden zu erwähnen. Das Gespenst wusste genauso wenig, wo Judd hinging, wenn er die Kirche verließ, wie Judd wusste, wer sich hinter dem Gespenst verbarg.
„Sie brauchen die Namen aller Beteiligten?“
„Kommen Sie da ran?“
„Ich müsste in die Sicherheitsbereiche des Medialnets eindringen. Das dürfte aber kein Problem sein, wenn die Daten nicht die höchste Geheimhaltungsstufe haben. Ich nehme an, die Raubtiere wollen nicht mit diesen Leuten reden?“
Auf diese Frage musste Judd gar nicht erst antworten.
„Ich will meinem Volk helfen“, sagte das Gespenst im eisigen Ton eines Medialen unter Silentium, „und es nicht an Gestaltwandler verkaufen. Ich bin Revolutionär, kein Verräter.“
„Es ist kein Verrat, die Schlächter von Frauen und Kindern zu bekämpfen.“
„In diesem Fall gebe ich Ihnen recht. Die Hirsche zu töten war genauso schlimm wie das Abschlachten von wehrlosen Zivilisten ohne Kriegserklärung.“
„Auge um Auge? Sehr schön. Ihr Gewissen wird Ihnen den Weg weisen.“
„Ich habe kein Gewissen“, sagte das Gespenst mit tieferer Stimme. „An meinen Händen klebt so viel Blut, dass nichts und niemand sie reinwaschen kann.“
„Vielleicht hält die Zukunft noch Überraschungen für Sie bereit.“ Ihm hatte sie jedenfalls einen Schock versetzt. „Warum haben Sie sich überhaupt für die Revolution entschieden, wenn Sie kein Gewissen haben?“
„Vielleicht will ich selbst an die Macht kommen?“
„Nein.“ Da war sich Judd ganz sicher. „Sie tun es, weil Sie wissen, dass der Rat auf dem falschen Weg ist. Wir waren einmal das größte Volk auf Erden, die wahren und gerechten Herrscher der Welt.“
„Meinen Sie nicht, wir könnten wieder dahin zurückkehren?“
„Nein.“ Die Welt hatte sich verändert, Menschen und Gestaltwandler waren im Lauf der Zeit mächtiger geworden. „Aber wir könnten etwas noch viel Besseres erreichen. Wir könnten frei werden.“
Brenna reparierte gerade ein kleines technisches Gerät, als er in ihrer Wohnung aufkreuzte. „Judd“, sagte sie und legte das Werkzeug beiseite. „Du darfst nicht hier sein. Sonst wird die Dissonanz –“
Er unterbrach sie. „Ich muss dich etwas Wichtiges fragen.“
„Was ist wichtiger als dein Leben?“ Sie schien den Tränen nahe zu sein.
„Dein Leben. Wenn du stirbst, gehe ich zugrunde.“ Das war die schlichte Wahrheit.
Mit zitternden Händen schob sie ihre Haare zurück. „Frag schon.“
„Wenn es nur darum ging, dass du etwas über Tims Tod weißt, wäre der Mörder nicht so verbissen hinter dir her. Es muss noch etwas anderes dahinterstecken.“ Endlich war er auf der richtigen Fährte. „Du weißt noch etwas anderes, das niemand herausbekommen soll.“
„Es muss mit Tims Tod zu tun haben. Wenn man den Mörder entlarvt, wäre das sein
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