Eisige Umarmung (German Edition)
über seine mörderischen Gelüste verlor. Aber bis zu diesem Zeitpunkt würde sie mit ihm zusammenarbeiten. Schließlich waren alle Ratsmitglieder auf die eine oder andere Weise Mörder. Kaleb mordete nur in einer weniger geläufigen Form.
42
Eine Stunde, nachdem er Brenna unfreiwillig verlassen hatte – sie hatte ihn hinausgeworfen, als wieder Blut aus seiner Nase tropfte –, bekam Judd eine verschlüsselte Nachricht vom Gespenst. Eine Liste mit sechs Namen.
Er rief Brenna an, schaltete aber den Bildschirm nicht an. Es verstörte ihn zu sehr, sie weinen zu sehen. „Ich werde meinen Wachposten verlassen. Riley schickt eine Ablösung.“ Er hatte bereits mit ihrem Bruder über seinen Verdacht gesprochen, der sofort alle Kräfte zusammengezogen und ihm die Dienstpläne aus der Zeit von Brennas Entführung gegeben hatte. Das würde ihnen helfen, den Kreis der Verdächtigen einzuschränken, aber Judd hatte immer noch das Gefühl, sie kämen zu langsam voran.
„Ich hoffe, der Scheißkerl probiert es noch mal – ich würde ihm gern bei lebendigem Leib die Haut abziehen.“ Keine Tränen, nur echte, unverfälschte Wut.
„Nimm dich vor jedem in Acht.“ Riley hatte alle Verdächtigen auf weit entfernte Posten geschickt, aber der Mörder konnte sich trotzdem einschleichen. Außerdem gab es immer noch die Möglichkeit, dass er gar kein Soldat war und sich auf andere Weise Zugang zum Code verschafft hatte.
„Werde ich tun. Hat die Blutung aufgehört?“
„Ja“, sagte er und unterbrach die Verbindung. Das war im Grunde keine Lüge. Er hatte kein Nasenbluten mehr, blutete dafür aber an anderen Stellen.
D’Arn übernahm bald darauf seinen Posten, und Judd machte sich auf den Weg, um Hawke die Namen mitzuteilen. Er war schon beinahe dort, als er sah, dass Sienna humpelnd einen der Trainingsräume verließ. Sie hatte einen blauen Fleck auf der Wange, und ihre Lippe schien anzuschwellen. Noch vor ein paar Monaten hätte er nach dem Namen des Übeltäters gefragt und sich darum gekümmert. Aber Hawke hatte Sienna mit Unterstützung von Walker und Judd in ein Trainingsprogramm gesteckt, das aus der „zahmen Hauskatze“ eine Wölfin machen sollte. „Hast du dich wieder mit Indigo angelegt?“
Sienna bekam einen trotzigen Zug um den Mund. „Sie lässt mich immer wieder dieselben Übungen machen. Ich wollte einen richtigen Kampf.“
„Und sieh dir an, was dabei rausgekommen ist.“ Indigo trat hinter Sienna aus der Tür. Sie trug weite schwarze Hosen und ein graues T-Shirt, kein einziges Haar war verrutscht. „Hat mir aber gut getan – konnte ich ein bisschen was von dem Frust über die Scheiße loswerden, mit der ich mich gerade abgebe.“
Judd wusste, dass sich das auf Drogen bezog. Indigo hatte Rileys Untersuchungen übernommen, seit er sich um die Aufklärung des Mordes kümmerte. „Ist es so schlimm?“
„Es ist nichts im Vergleich zu dem, was draußen passiert, aber ich kann es einfach nicht fassen, dass überhaupt irgendwas von dem Gift hier aufgetaucht ist. Wir sind doch ein Rudel, verflucht noch mal. Wir kümmern uns umeinander, Loyalität ist unsere Stärke, und nicht –“ Sie bemerkte Siennas interessierten Gesichtsausdruck. „Später mehr.“
Judd sagte erst wieder etwas, als die Offizierin gegangen war. „Warum hältst du dich nicht an Indigos Anweisungen?“
Die nachtschwarzen Augen flammten auf. „Sie behandeln mich wie ein Junges! Ich bin eine Kardinalmediale und könnte sie mit einem einzigen Gedanken töten. Und sie lassen mich Übungen für Kleinkinder machen.“
Sollte sie ruhig Dampf ablassen – es gab gute Gründe dafür. Siennas Konditionierung hatte mit dem Tag ihrer Flucht zu bröckeln begonnen. Das konnte sie bald in große Schwierigkeiten bringen, denn ihre Fähigkeiten waren genauso todbringend, wie sie glaubte. Vielleicht sogar noch mehr.
„Du lebst inzwischen nicht mehr in einer rein geistigen Welt“, machte er ihr mit fester Stimme klar. „Und du kannst die körperlichen Übungen nicht als Entschuldigung anführen. Du hast genauso viele Schwierigkeiten, den Anweisungen bei geistigen Übungen zu folgen.“
Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. „Das liegt vielleicht daran, dass du mich auch wie ein Kind behandelst.“
„Was meinst du, warum das so ist?“ Er verschränkte die Arme über der Brust – das hier war sehr wichtig. Die Familie war wichtig. Sie war das Fundament des Rudels. Brenna würde ihm Vorwürfe machen, wenn er seine Verantwortung in
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