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Eisige Umarmung (German Edition)

Eisige Umarmung (German Edition)

Titel: Eisige Umarmung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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Pullover zog sie die Blicke der vorübergehenden Männer auf sich. Erst als einer der Bewunderer über ein unsichtbares Hindernis stolperte, bemerkte Judd, dass er seine telekinetischen Fähigkeiten verwendet hatte. Er schlug die Tür zu, bevor er noch mehr Unheil anrichten konnte.
    Ein genau berechneter Schmerz bohrte sich in seinen Schädel, Anzeichen für einen eindeutigen Bruch der Konditionierung. Doch er wollte den Riss nicht flicken, wollte das Chaos nicht aufhalten, spürte nur den Wunsch, die Männer zu verletzen, die es wagten, sie anzuschauen.
    Die dünne Linie auf der Wand vor ihm sah wie ein zarter Bleistiftstrich aus, doch es war ein Haarriss, der sich unter Druck zu einem Spalt ausweiten konnte. Genau wie der Riss in seinem Verstand. Judd konnte seine telekinetischen Kräfte wieder zur Ordnung rufen, bevor sie die Wand zerstörten. Er hatte kurz vor einem katastrophalen Kontrollverlust gestanden. Wenn er den Fehler in seiner Konditionierung nicht beheben konnte, konnten Hunderte in der Höhle sterben – Alte und Junge … auch Brenna.
    Er spürte, wie ihm der Schweiß den Rücken hinunterlief, als er die Schultern straffte und sich auf den Bettrand setzte, um die gröbsten Risse zu reparieren. Erst als er ruhiger geworden war, konnte er sich den feineren Rissen zuwenden, die gerade an Silentium gerüttelt hatten. Doch es gelang ihm nicht, sich zu konzentrieren. In der Luft hing immer noch Brennas geistiger Duft.
    Diese Frau barst vor Hitze, vor Furcht und Mut, vor Sinnlichkeit und Lachen.
    Und sie durfte ihm nicht gehören.
    Jeder Versuch von ihm, das zu ändern, konnte dazu führen, dass er sie tötete. Denn er war nicht nur einfach ein TK-Medialer. Er war eine TK-Zelle, eine seltene und nirgendwo beschriebene Kategorie. Nach der Einführung von Silentium waren die TK-Zellen das schmutzige, kleine Geheimnis des Rats geworden: absolut perfekte Auftragskiller. Vor der Beherrschung durch das darauffolgende Programm hatte sich die tödliche Gabe dieser Kategorie ausnahmslos zuerst gegen die eigenen Frauen und Töchter gerichtet, als würde ihre Fähigkeit sich ausgerechnet gegen jene wenden, die sie vor dem Abgrund retten konnten.
    Judd traf auf der Stelle eine Entscheidung. Er musste die Höhle verlassen, bevor Brenna unwissentlich die Gabe in ihm freisetzte. Sie wusste nicht, welches Grauen sie auslösen konnte.
    Denn er war nicht aus freien Stücken ein Killer geworden, sondern weil er gar nichts anderes sein konnte.
    Schon vor dem Morgengrauen machte sich Judd auf den Weg zu Hawke. Vom Nachmittag bis zum späten Abend hatte er die Risse in seiner Konditionierung geschlossen – denn nur so waren die anderen vor dem tödlichen Zorn seiner besonderen Fähigkeiten geschützt. „Ich will fort“, erklärte er dem Alphatier. Normalerweise bat er niemanden um Erlaubnis, und wenn es nur um ihn gegangen wäre, hätte er nicht lange gefackelt und wäre einfach verschwunden. Aber damit hätte er die Stellung von Walker, Sienna und den Kindern geschwächt.
    Hawke hob eine Augenbraue. „Was meint denn Ihre Familie dazu?“
    „Sie haben nichts damit zu tun.“ Das war die reine Wahrheit. „Walker hat sich eingerichtet und wird mit allen Schwierigkeiten fertig werden. Ich störe da nur.“ Alle Augen hatten sich immer sofort anklagend auf die Medialen gerichtet, genauer gesagt auf ihn, sobald etwas schiefgelaufen war, das hatte der letzte Mord gezeigt. „Die anderen sind bis zu einem gewissen Grad im Rudel integriert.“ Was dagegen seine Person anging, hatte Judd alles getan, um gerade das zu verhindern.
    Der Leitwolf sah nicht sehr überzeugt aus. „Warum gerade jetzt?“
    Judd hatte sich entschieden, einen Teil der Wahrheit zu erzählen, der allerdings keinen Einfluss auf seine Entscheidung gehabt hatte. „Im Medialnet hatte ich denselben Rang wie Ihre Offiziere. Ich wusste, ich würde diesen Status verlieren, selbst wenn wir unseren Ausstieg überlebten, und ich war bereit, diesen Preis zu zahlen.“ Um die Kinder vor der Rehabilitation, vor dem Dasein als lebende Tote zu retten.
    „Was hat sich geändert?“
    „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass diese erzwungene Bescheidenheit, die Einengung meiner Fähigkeiten, Konsequenzen nach sich ziehen würde.“ Auch das stimmte. Trotz seiner verdeckten Arbeit – für das Gespenst und gegen Entgeld – wurde der Druck größer. Deswegen war es wohl für Brenna so leicht gewesen, seine Abwehrschilde zu durchbrechen. Es hatte schon vorher Risse gegeben.

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