Eisige Umarmung (German Edition)
andere zu richten, Vater.“ Ganz egal, was das Gespenst auch getan hatte, Judd hatte weit Schlimmeres verbrochen. „Sagen Sie mir, was Sie noch haben – und beeilen Sie sich.“
Als Judd die beiden verließ, regnete es bereits stetig. Er ließ sich vom kalten Winterregen durchnässen, ließ sich reinwaschen von dem Todeshauch ihrer geheimen Zusammenkunft. Die unmenschliche Grausamkeit des Implantationsprogramms war etwas Böses, aber der Kampf dagegen konnte ebenfalls das Böse aus ihnen hervorholen. Das sagte ihm ein seit langem verschüttet gewesener Teil seiner Seele, und dieser Teil war unwiderruflich mit seinen Gefühlen für Brenna verbunden.
Diese Gedanken drängten ihn nur noch mehr, zu ihr zurückzukehren. Er ging schneller, es roch nach Stadt und Ozon. Die Straße lag verlassen da, der Schein der Laz-Laternen schien durch den Regen gedämpft. Er überquerte die Straße und ging in den dunklen Park. Nie hatte er an einem solchen Ort einfach nur spielen dürfen. Man hatte ihn beim Rennen beobachtet, ihm jede Übung genau vorgeschrieben. Hatte ihn geformt, zu dem gemacht, was er war.
Er schob die Erinnerungen beiseite, ging mit langen Schritten zu seinem Wagen. Den Datenkristall des Gespenstes konnte er zwar auch im Fahrzeug abspielen, aber er würde lieber warten und seinen Organizer benutzen, der doppelt gegen das Eindringen eines Fremden geschützt war.
Eine Bewegung! Das Warnsignal in seinem Kopf ging an, bevor er die Gestalt bewusst wahrnahm. Er riss seinen Körper herum, damit der große Wolf weniger Schaden anrichten konnte, als er sich auf ihn warf. Die Luft blieb ihm weg, und er konnte gerade noch rechtzeitig den Arm nach oben reißen, bevor die Reißzähne zuschnappten, Fleisch, Muskeln und Knochen durchtrennten.
Judd betäubte den Schmerz, befreite sich mit telekinetischer Energie und kam wieder auf die Beine. Sein Arm hing nutzlos herunter, er hätte erst die Muskeln und Nerven wieder miteinander verbinden müssen. In seiner Brust und am Arm klafften blutende Wunden, deshalb konzentrierte er sich auf seine rechte Faust, steckte alle Kraft dort hinein. Als sich der Wolf ein zweites Mal auf ihn stürzte, schlug Judd ihm mit voller Wucht auf den Kiefer. Der Wolf ging kurz zu Boden, warf sich dann aber erneut auf ihn.
Die kräftigen Reißzähne kamen näher, bereit zum tödlichen Biss in die Kehle.
Judd hatte versucht, den Wolf nicht zu töten, er war sicher, einen ganz bestimmten SnowDancer-Wolf vor sich zu haben, hatte die berechnende Ruhe noch im Kopf, die Riley bei ihrem heutigen Treffen an den Tag gelegt hatte. Aber jetzt blieb ihm keine andere Möglichkeit. Er verlor zu viel Blut. Mit letzter Kraft machte er sich bereit, in den Geist des Gestaltwandlers einzudringen. In weniger als einer Sekunde würde der Wolf tot am Boden liegen.
23
„Judd!“ Der Schrei kam so unerwartet, dass er erstarrte. Der Wolf hielt ebenfalls in der Bewegung inne. Dann sprang er auf und verschwand im Dunkeln. Judd hätte ihn mit seinen geistigen Kräften erreichen und töten können, aber er hielt sich zurück. Wenn der Wolf wirklich einer von Brennas Brüdern war …
„Judd!“ Hände legten sich auf sein Gesicht, als er sich aufsetzte. Zitternde Finger wischten den Regen fort. „Um Gottes willen. Ihr Arm ist völlig zerfetzt.“
„Brenna, was tun Sie hier draußen?“ Er schickte bereits Energie in den Arm, um den Knochen zusammenzuflicken – durch seine telekinetischen Fähigkeiten konnte er sich selbst heilen.
„Es ist nicht zu fassen, Sie verbluten gerade und kommen mir trotzdem noch so!“ Sie nahm seinen unverletzten Arm, legte ihn sich um den Hals und zog ihn hoch. Da sie sehr klein war, musste sie sich trotz ihrer Gestaltwandlerkräfte ziemlich anstrengen.
Er hatte mehr Blut verloren, als er zunächst angenommen hatte – konnte weder klar denken, noch den Schaden beheben. Er hätte nicht versuchen sollen, den Angreifer nur kampfunfähig zu machen, sondern ihn in dem Moment töten sollen, als er das Geräusch gehört hatte. Aber dann hätte in Brennas Augen der Hass gestanden. Vollkommen undenkbar.
„Kommen Sie, der Wagen ist gleich dahinten.“ Sie legte ihm einen Arm um die Taille. „Warum haben Sie nicht einfach teleportiert?“
„Braucht Konzentration.“ Er konnte seine Gedanken nicht in die richtige Reihenfolge bringen. „Ich fahre“, sagte er, als sie am Wagen waren.
Sie legte seinen Finger auf das Schloss und entriegelte das Fahrzeug, dann öffnete sie die Beifahrertür.
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