Eisige Umarmung (German Edition)
ich sehen kann, wie tief die Wunden sind.“
„Nicht sehr tief“, murmelte Judd undeutlich, aber immer noch verständlich.
„Seien Sie still.“ Tamsyns Stimme klang stahlhart. „Sie würden eine prima Raubkatze abgeben – bluten sich zu Tode, aber streiten es ab.“
Nate kam gerade mit einem kleinen Metallkoffer zurück. „Julien schläft noch. Roman ist aufgewacht, aber Kit lenkt ihn ab.“
Tamsyn nickte und säuberte Judds Arm. Brenna kümmerte sich um seine Brust. Zumindest blutete er jetzt nicht mehr; die Blutung hatte schneller aufgehört, als sie es gerade eben noch für möglich gehalten hatte.
„Klauen und Zähne eines Gestaltwandlerwolfes, wenn ich mich nicht irre“, sagte Tamsyn und bat Brenna mit einem Blick um Bestätigung.
„Ja, vollkommen in Wolfsgestalt.“ Sie wusste nicht, ob das von Bedeutung war, aber es schien ein Umstand zu sein, den Heiler normalerweise wissen wollten.
„Das spielt keine große Rolle, aber ich werde ihm auf jeden Fall ein Antibiotikum spritzen. Judd, reagieren Sie auf irgendetwas allergisch?“
Judd schüttelte sehr langsam den Kopf. „Komm gut mit Antibiotika zurecht.“
„Nur gut, dass wir nicht ansteckend sind“, sagte Nate, der am Küchentresen lehnte, „sonst würde Ihnen bald schon ein Fell wachsen.“
Brenna warf den Kopf herum und wollte ihn bitten, mit den spitzen Bemerkungen aufzuhören, erkannte aber, dass er damit Judd nur von den unerträglichen Schmerzen ablenken wollte. Obwohl ihm nichts anzumerken war.
Sie war unter harten Männern aufgewachsen – Riley war Offizier der SnowDancer-Wölfe, und wenn Andrew nicht auf sie aufpasste, überwachte er die brenzlige Situation in San Diego. Ihr Vater war ebenfalls Soldat gewesen. Aber selbst ihre Brüder wären spätestens jetzt zusammengezuckt, und sie war sicher, dass sie fürchterlich geflucht und sich vielleicht sogar auf einen Streit mit Nate eingelassen hätten, um sich von ihrem zerfetzten Körper abzulenken.
Aber Judd tat nichts. Er war bewegungslos wie eine Statue.
Beim Säubern berührte sie unabsichtlich eine Wunde. Ihr Magen zog sich zusammen, als spürte sie selber den Schmerz. „Tut mir leid, Baby.“ Nur weil er es nicht zeigte, hieß es noch lange nicht, dass er die Schmerzen nicht spürte. Selbst Mediale konnten unmöglich ihre Schmerzrezeptoren ausschalten.
Er sah sie die ganze Zeit an. Der Blick war sehr intensiv, obwohl sich ein Schleier über seine Augen schob, und sie hielt ihm stand, konnte und wollte ihn nicht in der kalten Einsamkeit von Silentium leiden lassen.
„Jetzt werde ich Sie wieder zusammenflicken“, sagte Tamsyn und unterbrach damit den aufregenden Kontakt. „Zuerst werde ich die Wunden desinfizieren.“
Brenna hatte noch die Hand auf Judds Brust, um das letzte Blut fortzuwischen, aber selbst dort verspürte sie keinerlei Zucken. Das ging weit über Kontrolle hinaus – es war geradezu beängstigend. Was musste Judd durchgemacht haben, um seine körperlichen Reaktionen so zu beherrschen?
Tamsyn holte den Tacker heraus. „Warte! Willst du ihn nicht erst betäuben?“ Diese Stiche mussten doch wehtun.
„Mediale reagieren sehr eigenartig auf jede Form von Betäubungsmitteln. Sascha und Faith können in eine Art Bewusstlosigkeit eintauchen.“ Die Heilerin sah Judd in die Augen. „Könnten Sie das auch?“
Er nickte kurz. „Ja.“ Judd schloss die Augen und wurde vollkommen bewegungslos. Brenna konnte nicht einmal mehr seinen Atem hören.
Sie gab Nate das blutige Handtuch, nahm Judds Hand und sah zu, wie Tamsyn mit dem Tacker die Muskeln zusammenheftete. „Du kannst das sehr gut.“
„Ich habe auch ein abgeschlossenes Medizinstudium hinter mir. Dachte, es könne nicht schaden, meine Heilkräfte mit diesem Wissen zu unterstützen, damit ich meine Gabe nicht unnötig strapaziere.“ Es schwang etwas Dunkles in ihrer Stimme mit, als hätte es eine Zeit gegeben, in der ihre Kräfte nicht ausgereicht hatten, um ein Leben zu retten. „Und es ist nun mal so, dass wir Heilerinnen uns zwar gegenseitig helfen können, unsere Gabe aber nur bei den eigenen Leuten wirklich gut funktioniert. Meine Kräfte nehmen Judd nicht einmal wahr.“
Brenna nickte. „Wie hast du das mit den Betäubungsmitteln gemeint?“
„Hmmm.“ Tamsyn gab ihr eine kleine Taschenlampe. „Leuchte mal dahin, damit ich sehe, was ich tue.“
Der Strahl der Taschenlampe zeigte deutlich jeden Riss. Die Sorge hatte Brenna wieder gepackt, aber ihre Hand zitterte nicht.
„Es hat
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