Eisige Versuchung
stellte ihn an den Tisch.
Shade dachte schon, er würde durch die Tür nach draußen verschwinden und sie würde ihn nie wiedersehen, aber er blieb dort stehen, stützte sich auf die Rückenlehne des Stuhls und wirkte einen Moment lang in sich gekehrt, als würde er innerlich mit sich kämpfen.
»Bitte hilf mir, Roque! Allein schaffe ich das nicht.«
Sein Blick klärte sich, und er schaute sie intensiv an. »Würdest du mich wirklich verraten, wenn ich dich gehen ließe?«
»Natürlich nicht.« Sie meinte es ernst. Nicht etwa, weil er ein Wunder war, wie Arthur gesagt hatte, auch nicht, weil sie sich vor ihm fürchtete. Das waren alles Gründe, die auch für sie zählten. Ausschlaggebend jedoch war, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Sie hatte keine Ahnung, warum das so war. Es ging über bloße Anziehungskraft hinaus. Als wären ihre Schicksale miteinander verbunden. Sie konnte dieses Band, das vom ersten Augenblick an zwischen ihnen existiert hatte, nicht deuten. Aus Erstaunen war Faszination geworden, aus Faszination Anziehung, die nun wuchs, sich in Begehren verwandelte. Aber da war noch etwas anderes – etwas Dunkles.
»Würdest du mich töten, damit ich niemandem von dir erzähle?«
Ohne zu zögern, schüttelte Roque den Kopf. Er richtete seinen Oberkörper auf und kam langsam auf sie zu. »Nun gut, ich werde Joe gemeinsam mit dir suchen.«
Ihr Lächeln wurde immer breiter.
»Aber«, fuhr er fort und wischte ihre Erleichterung mit diesem Wort hinweg, »ich muss auch etwas davon haben, schließlich opfere ich dir meine kostbare Zeit und muss unsere Jagd vor meinem Herrn geheim halten.«
Sie öffnete den Mund, um zu fragen, um was für einen Job es sich handelte und wer ihn geschickt hatte, doch er breitete seine Schwingen so weit aus, wie das Holzhaus es zuließ, und brachte sie mit dieser Geste zum Schweigen.
Er war noch immer entblößt. Shade konnte sich kaum an diesem muskulösen Männerkörper mit den traumhaft schönen Flügeln sattsehen. Aber sie vergaß nicht, was er mit Averell gemacht hatte, ebenso wenig wie den Blick in seine rabenschwarze Seele, als sie ihm in die Augen geschaut hatte.
Mit ausgebreiteten Schwingen erinnerte er sie an einen Pfau, der zur Balz sein Gefieder aufgerichtet hatte. »Du wirst dich mir hingeben müssen.«
»Wie bitte?!« Sie glaubte, sich verhört zu haben, doch sein Schaft war leicht erigiert.
Instinktiv wich sie nach hinten aus. Sie flüchtete jedoch nicht vor ihm, sondern vor ihrer eigenen Lust. Er besaß eine finstere Seite. Ihn zu begehren war falsch, das wusste sie einfach. Er war wie der Walker River im Winter. Die Eisdecke auf dem Fluss machte den Anschein, dick genug zu sein, um darauf herumzulaufen. Doch der Wasserstand sank an manchen Tagen bis zu zwanzig Zentimeter, und die Diskrepanz zwischen Oberfläche und Eis machte aus dem Spaß ein Risiko.
»Wenn ich dir helfen soll, verlange ich von dir als Gegenleistung körperliche Liebe.« Schritt für Schritt kam Roque näher.
Jede ihrer Nervenbahnen vibrierte wie elektrisiert. Beinahe stolperte sie, weil eine Holzlatte herausragte. Erschrocken trat sie so fest darauf, als wollte sie den Boden ebnen. »Das kann nicht dein Ernst sein!«
»Es ist unschwer zu erkennen, dass du mich attraktiv findest.« Erheitert, wohl darüber, dass er sie nervös machte, schmunzelte er und schaute sie von oben bis unten an, als wäre sie ebenso hüllenlos wie er.
»Ach, ja?« Gespielt pikiert rümpfte sie die Nase, aber das wirkte aufgesetzt und lächerlich und bestätigte im Grunde nur, dass er sie durchschaut hatte.
»Du begehrst mich, deshalb sollte es dir nicht schwerfallen, auf mein Angebot einzugehen. Ich fordere nichts Außergewöhnliches von dir, nichts, was du nicht vermutlich von selbst machen würdest, wenn ich es darauf anlegte.«
»Ich fresse niemandem aus der Hand, eher beiße ich sie ab.« Er sollte ja nicht glauben, dass er sie längst überzeugt hatte! Obwohl es den Nagel auf den Kopf traf. Jede Faser ihres Körpers schrie Ja! Glücklicherweise konnte Shade sich gerade noch beherrschen zu jauchzen. Als sie mit ihrem Rücken gegen die Wand stieß, fluchte sie.
»Dich zu zähmen wäre ein reizvolles Spiel, aber ich werde dich auf keinen Fall zu etwas zwingen.« Er blieb vor ihr stehen. Seine Zehen berührten fast ihre Stiefelspitzen. »Entweder du schläfst freiwillig mit mir, oder ich werde gleich dort hinausgehen, und wir sehen uns niemals wieder.«
Das saß. »Okay, einverstanden«, lenkte
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