Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
weniger gezwungen sahen, die arme Janet Ferris auch noch umzubringen. Damit war der Punkt erreicht, an dem sie erkannten: Wir können das. Ab da ging es nicht mehr nur ums Geld, sondern zusätzlich um Macht. Auf dieses Machtspiel fuhren sie beide ab. Deswegen versuchten sie auch, sich in die Ermittlungen einzumischen. Es ging ihnen um Kontrolle. Sie wollten uns zeigen, dass sie besser waren als wir. Harry setzte sogar noch einen drauf. Wenn er es geschafft hätte, sich an mich heranzumachen und mich ins Bett zu bekommen, wäre das für ihn die ultimative Demonstration seiner Macht gewesen.«
Eine Weile herrschte zwischen ihnen Schweigen.
»Du hast ihn gleich durchschaut?«, fragte Sandy. »Es wäre nie dazu gekommen, oder?«
»Er war von Anfang an nicht mein Typ. Robert Poole fand ich viel interessanter.«
»War er dein Typ?«
»Nein, nein«, beruhigte ihn Frieda, »es lässt mir nur keine Ruhe, dass er ein bisschen so war wie ich oder ich ein bisschen so bin wie er. Wobei er besser war als ich – oder zumindest besser, als ihm selbst gut tat. Er war ja im Grunde nur ein Betrüger. Er hätte sich darauf beschränken können, den Leuten ihr Geld abzuknöpfen, aber dafür besaß er zu viel Einfühlungsvermögen. Er war ein zu interessanter Typ. Das wurde ihm zum Verhängnis.«
»Du hättest ihn nicht retten können«, meinte Sandy. »Sein Tod war … ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll … quasi die Vorbedingung, die Basis für alles andere. Aber um auf unseren Fußmarsch zurückzukommen – wo befinden wir uns gerade?«
»Es wird wieder schöner«, antwortete Frieda. »Wir überqueren Piccadilly und erreichen den Green Park. Wenn man dort den Blick schweifen lässt, kann man fast das Flussbett sehen, oder wenigstens den Bereich, wo es sich eigentlich befinden sollte. Wir gehen durch den Park – es sei denn, er ist wegen der Vorbereitungen für die Hochzeit gesperrt.«
»Welche Hochzeit?«
»Du weißt schon, welche ich meine – die königliche Hochzeit.«
»Ach ja, die.«
»Aber wir kämpfen uns trotzdem durch den Park und umrunden dann den Buckingham Palace. Der Fluss fließt unter dem Palast hindurch. Sobald ich als Diktatorin an die Macht komme und all die verborgenen Flüsse Londons wieder freilegen lasse, wird der Palast dran glauben müssen …«
»Für einen guten Zweck muss man eben manchmal kleine Opfer bringen …«
»Gerade erreichen wir Victoria, was noch viel schlimmer ist als das Stück rund um den Grosvenor Square. Man kommt sich dort vor wie auf einer monströsen Verkehrsinsel mitten auf einer Autobahn, und dann folgt eine schreckliche Straße, in der es aussieht wie an der Rückseite eines Hotels, wo die Waren angeliefert und die Müllsäcke abtransportiert werden. Aber dann geht man durch die Aylesford Street in Richtung Fluss, und da ist es wieder schön.«
»Bekommt man den Tyburn am Ende noch irgendwo zu sehen?«
»Das ist gar nicht gewollt«, entgegnete Frieda. »Am Embankment mündet er durch ein Rohr, das unter einem Haus hindurchführt, in die Themse. Einmal bin ich um die Seite herumgegangen, übers Geländer geklettert und dann eine Metallleiter bis zu der Schlammfläche hinuntergestiegen, die sich bei Ebbe am Flussufer bildet. Ich habe mich für eine Weile neben die Mündung gesetzt und mich gefragt, warum ich so weit marschiert bin, nur um ein solch mickriges Rinnsal zu sehen, für das sich die ganze Mühe kaum lohnt.«
»Nicht zu fassen«, meinte Sandy, »dass du dir das alles merken kannst.«
»Manchmal gehe ich die Strecken im Geist ab – in der Hoffnung, dabei irgendwann einzuschlafen. Aber das funktioniert nie.«
»Du solltest Taxi fahren«, meinte Sandy.
»Tolle Idee, danke.«
»Nein, ich meine das ernst.«
»Ich auch.«
»Müssen Taxifahrer nicht eine besondere Prüfung ablegen, um zu beweisen, dass sie über ›das Wissen‹ verfügen, bevor sie ihre Zulassung bekommen? Der Prüfer fragt sie, wie man von … keine Ahnung … von Banbury Cross zum Emirates-Stadion kommt, und sie müssen die Strecke Straße für Straße herunterleiern.«
»Ich glaube nicht, dass Banbury Cross ein tatsächlich existierender Ort ist.«
»Aber du kannst das. Haben Taxifahrer nicht sogar ein besonderes Gehirn?«
»Diejenigen, die mir über den Weg laufen, scheinen immer ein ganz besonders besonderes Gehirn zu haben.«
»Nein, meines Wissens entwickeln sie tatsächlich eine Besonderheit.«
»Ja, eine Vergrößerung im Bereich der hinteren Mitte des Hippocampus«,
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