Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
gemacht«, fuhr Carrie mit müder Stimme fort. »Das war am selben Tag. Normalerweise machte ich immer den Tee, aber nach der ganzen Kocherei bat ich ihn, eine Tasse für mich aufzugießen. Er zelebrierte es richtig, indem er mir die Tasse auf einem Tablett servierte, schön angerichtet mit einem kleinen Milchkännchen und Zucker in einer Porzellandose, obwohl ich gar keinen Zucker nehme. Ich dachte, er wolle besonders witzig und romantisch sein. Den wahren Grund habe ich nicht kapiert. Er wusste es einfach nicht, stimmt’s? Er wusste nicht, wie ich meinen Tee trinke.«
»Es tut mit so leid, Carrie.«
»Ich habe mit ihm geschlafen!«, schrie Carrie plötzlich. »Ich hatte Sex mit ihm! Zum ersten Mal seit Monaten, weil Alan … nun ja, er konnte nicht. Es war gut.« Sie verzog das Gesicht, als müsste sie sich gleich wieder übergeben. »Es war der beste Sex, den ich je hatte, der beste meines Lebens . Verstehen Sie? Können Sie sich das vorstellen? Aber es war gar nicht Alan. Es war gar nicht mein lieber, lieber Schatz. Alan war tot, aufgehängt wie ein Verbrecher. Und ich wusste es nicht und trauerte nicht um ihn, sondern trieb es mit seinem miesen, mörderischen Bruder und war auch noch glücklich dabei. Ich war so glücklich, während ich da in der Dunkelheit lag, eng umschlungen mit dem Mann, der Alan umgebracht und anschließend mit mir geschlafen hatte. Erst hörte er mich vor Lust stöhnen, und dann durfte er sich auch noch anhören, dass es für mich noch nie so gut war. Ahh! Das ist … ich kann nicht …«
Mit kreidebleichem Gesicht sprang sie auf und stürmte aus dem Zimmer. Frieda hörte, wie sie sich erneut übergab, die Toilettenspülung betätigte und dann den Wasserhahn aufdrehte. Wenige Augenblicke später kam sie zurück, setzte sich wieder hin und sah Frieda aus rot geränderten Augen an.
»Sind Sie ganz sicher?«, fragte sie.
»Ja, bin ich. Aber ich habe keine Beweise – zumindest keine, die die Polizei akzeptieren würde.«
»Können Sie denn keinen DNA-Test machen lassen? Ich habe seine Zahnbürste, seinen Kamm.«
»Die DNA der beiden war identisch«, gab Frieda zu bedenken. »Wie auch immer, mir geht es erst mal nur um Ihre Einschätzung.«
»Ich glaube Ihnen.«
»Carrie, Sie müssen sich immer wieder vor Augen führen, dass Alan Sie nicht verlassen, sondern bis zuletzt geliebt hat. Sie haben ihn auch geliebt und immer zu ihm gehalten. Sie haben sich nichts vorzuwerfen.«
»Wieso habe ich nichts gemerkt, nichts gespürt? Jetzt kann ich es nie mehr gutmachen. Ich kann Alan nie wieder in den Arm nehmen und festhalten, ihn nie wieder trösten und an mich drücken, bis er sich wieder sicher fühlt. Ich kann ihn nicht mal um Verzeihung bitten, und daran wird sich nichts ändern, bis ich sterbe. Ach, mein armer, lieber Alan. Für ihn ist nie etwas gut ausgegangen, oder? Natürlich hätte er mich nicht verlassen – wie konnte ich das nur glauben?«
Den ganzen dunklen, feuchten Tag lang saß Frieda in der Küche und hörte zu, wie Carrie über Alan sprach und über Dean, über ihre Einsamkeit und Kinderlosigkeit, über Kummer und Zorn, Feindseligkeit und Ekel vor sich selbst. Sie sprach auch von Hass – Hass auf Dean natürlich, aber auch auf sie, Frieda, die Alan in einen Strudel hineingezogen hatte, aus dem er nie wieder aufgetaucht war. Sie sprach von ihrem Hass auf die Polizei, die Dean nicht aufgehalten hatte, und von ihrem Hass auf sich selbst – und ihren Rachegelüsten. Dann erzählte sie Frieda von ihrer Anfangszeit mit Alan. Dass sie schon bei ihrem allerersten Rendezvous gewusst habe, dass sie ihn heiraten werde, weil er ihren Namen auf eine so besondere Art aussprach – schüchtern und verlegen, als würde er einen feierlichen Eid schwören. Frieda machte ihr etliche Tassen Tee und später Toast und ein gekochtes Ei, in dem Carrie lustlos herumstocherte.
Frieda brach erst auf, als Carrie ihre beste Freundin angerufen und gebeten hatte, bei ihr vorbeizuschauen. Carrie musste Frieda versprechen, sich am nächsten Tag telefonisch bei ihr zu melden. Danach stieg Frieda jedoch nicht gleich in ein Taxi oder den nächsten Zug nach Hause, sondern marschierte zu Fuß durch die Straßen von London. Während sie sich ihren Weg nach Westen bahnte, brach die Dämmerung herein, die langsam in Dunkelheit überging. Frieda hatte den Kopf voller Gedanken und Geister: Für einen Moment starrte ihr Carries weißes Gesicht entgegen, dann sah sie plötzlich Alans Augen vor sich, die sie immer
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