Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
Carrie wie eine Stoffpuppe in sich zusammensank, riss Frieda ein Blatt von der Küchenrolle, wischte ihr damit den Mund ab und strich ihr das Haar aus dem schweißnassen Gesicht. Dann stellte sie den umgefallenen Tisch wieder auf. Carrie legte den Kopf darauf und begann halb würgend, halb schluchzend zu weinen. Es klang, als würde sie ihr Innerstes nach außen kehren und sich dabei nicht nur das Herz, sondern auch alle anderen Organe aus dem Leib weinen.
Nachdem Frieda den zweiten Stuhl wieder aufgestellt hatte, wischte sie mit etlichen Blättern Küchenrolle das Erbrochene auf und spülte es im Klo nebenan hinunter. In die Küche zurückgekehrt, füllte sie eine Spülschüssel mit heißer Seifenlauge und schrubbte damit den Boden. Dann setzte sie Wasser auf und machte eine Kanne starken Tee. Sie häufte vier Löffel Zucker in eine Tasse und fügte einen großen Schuss Milch hinzu. Als sie die Teetasse schließlich vor Carrie hinstellte, hob diese den Kopf. Ihr Gesicht war vom Weinen ganz verquollen.
»Sie müssen ein bisschen was trinken«, sagte Frieda. »Ist Ihnen kalt?«
Carrie nickte. Frieda lief nach oben und kehrte mit einer Steppdecke zurück, die sie vom nächstbesten Bett gezogen hatte. »Wickeln Sie sich in die Decke, und trinken Sie Ihren Tee.«
Carrie richtete sich auf. Ihre Hände zitterten derart, dass sie die Teetasse kaum halten konnte. Rasch nahm Frieda sie ihr aus der Hand und hielt sie ihr an die Lippen, wobei sie die Tasse ganz vorsichtig neigte, bis Carrie kleine Schlucke trinken konnte.
Schließlich fragte Frieda: »Haben Sie verstanden, was ich Ihnen gesagt habe?«
Carrie zog die Steppdecke höher und wickelte sich fest darin ein, so dass am Ende nur noch ihr Gesicht herausschaute. Ihr Blick ließ Frieda an ein geprügeltes Tier denken.
»Carrie?«
Sie nickte. »Ich habe verstanden«, flüsterte sie.
»Glauben Sie mir?«
»Alan hatte so eine Angewohnheit.« Carries Stimme klang vom Weinen heiser. »Er stibitzte immer etwas von meinem Teller oder trank meinen Tee halb leer, obwohl er seinen eigenen hatte. Wenn ich mir gerade einen Keks in den Mund schieben wollte, beugte er sich herüber, um ihn mir wegzuschnappen und ihn sich selbst in den Mund zu stecken, oder er griff nach meinem Sandwich und biss aus der Mitte ein großes Stück heraus, natürlich das beste. Dabei tat er immer so, als wäre er in Gedanken und würde gar nicht merken, was er gerade machte. Ich brauchte nur kurz den Blick abzuwenden, und wenn ich dann wieder hinsah, waren an meinem Kuchenstück die Abdrücke von seinen Zähnen. So in der Art. Das hat mich ziemlich genervt, aber gleichzeitig war es auch eine Art Spaß zwischen uns. Selbst als es dann richtig schlimm wurde und er auf nichts mehr Appetit hatte, klaute er mir immer noch mein Essen. Ich denke oft, dass genau diese Dinge eine Ehe am Laufen halten – nicht die großen, offensichtlichen Sachen wie Sex und Kinder, sondern all diese Gewohnheiten und lustigen Macken, all die Kleinigkeiten, die einen in den Wahnsinn treiben, gleichzeitig aber auch mit dem Partner zusammenschweißen!« Ihr Blick war jetzt nicht mehr auf Frieda gerichtet, sondern auf die Tischplatte, und sie sprach so leise, dass Frieda sich vorbeugen musste, um sie zu verstehen. »Er hat mein Essen genommen, weil mein Essen auch sein Essen war. Zwischen meinem und seinem Leben gab es keine Grenzen mehr. Wir waren sozusagen eins geworden. An dem Tag, als er mich verließ …« Sie schluckte. Ihr fleckiges Gesicht zuckte. »An dem Tag, als mich der Mann, den ich für Alan hielt, verließ, saßen wir auf dem Sofa, und ich hatte uns zwei Mince Pies aufgewärmt. Wir aßen zu Weihnachten nie den üblichen Plumpudding. Stattdessen leisteten wir uns immer unsere Luxus-Mince-Pies aus dem Delikatessenladen, mit viel Sahne, das war eine unserer Traditionen – aber zum ersten Mal stibitzte er mir nichts. Ich machte einen Witz darüber, indem ich ihm meinen Pie vor den Mund hielt und sagte: ›Was mein ist, ist auch dein‹, oder irgend so was Dämliches. Aber er meinte nur lächelnd, er habe doch seinen eigenen. Später, als er dann weg war, dachte ich immer, dass er mir auf diese Weise bereits seine Eigenständigkeit demonstriert hatte – dass er mein Essen verschmähte, weil er nicht mehr mit mir zusammen sein wollte. Verstehen Sie?«
Frieda nickte nur wortlos. Sie stand auf, schenkte Carrie Tee nach und gab einen weiteren Löffel Zucker hinein.
»Ein einziges Mal hat er mir eine Tasse Tee
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