Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
Ton.
Bestürzt starrte er sie an. »Das hatte ich doch gar nicht vor.«
»Ich nehme ein Croissant«, erklärte sie, obwohl sie nicht glaubte, dass sie auch nur einen Bissen davon hinunterbekommen würde.
Josef riss Friedas Foto aus der Zeitung und reichte es ihr. Es handelte sich um eine alte Aufnahme, die ein paar Jahre zuvor anlässlich einer Konferenz gemacht worden war, auf der Frieda einen Vortrag gehalten hatte. Offenbar hatten sie das Foto irgendwo online gefunden. Ein Wort aus der Bildunterschrift sprang ihr entgegen: »rücksichtslos.« Wie in Trance strich sie Marmelade auf ihr Croissant und schnitt es in Stücke, aß aber nichts davon. Sie vernahm das Stimmengewirr um sich herum, und von Zeit zu Zeit hörte sie sich sogar selbst etwas antworten oder versuchte, ein Lächeln zustande zu bekommen. Nachdenklich betrachtete sie die kleine Gruppe. Der Gedanke, dass sich ihre Freunde an einem Sonntagmorgen in aller Frühe miteinander in Verbindung gesetzt und zu diesem Besuch verabredet hatten, rührte sie. Als sie allmählich Anstalten machten, wieder zu gehen, war sie trotzdem erleichtert. Dann aber fiel ihr etwas ein. Sie berührte Jack am Ärmel. »Könntest du noch einen Moment bleiben?«, fragte sie. »Ich möchte etwas mit dir besprechen.«
»Was denn? Stimmt etwas nicht?«
Während er sie angstvoll anstarrte, fuhr er sich mit einer Hand nervös durchs Haar, so dass ihm plötzlich eine Strähne senkrecht vom Kopf abstand. Frieda musste sich ein Lächeln verkneifen. Obwohl er immerhin schon Mitte zwanzig war, ein fertig ausgebildeter Arzt und angehender Therapeut, sah er mit seiner schrecklichen orangeroten Steppjacke und seinen dreckverkrusteten Turnschuhen wie ein kleiner Junge aus, der bei irgendeiner Missetat ertappt worden war.
»Keine Sorge, ich möchte dir nur einen Vorschlag unterbreiten.« Jacks eben noch so ängstlicher Ausdruck verwandelte sich in Eifer. Zappelig trat er von einem Fuß auf den anderen, bis sie schließlich auf einen Stuhl deutete. »Möchtest du noch eine Tasse Kaffee?«
»Nein, danke. Worum geht es denn?«
»Ich hätte gern, dass du dich um Carrie Dekker kümmerst.«
»Carrie Dekker? Alans Frau? Warum denn das? Was ist passiert?«
»Ich meinte, als ihr Therapeut.«
»Ihr Therapeut?«
»Du wiederholst jedes Mal wie ein Echo, was ich gesagt habe.«
» Ich soll sie therapieren?«
»Jack, du bist Therapeut. Du hast Patienten. Das ist dein Beruf. Ich möchte dich bitten, dir zu überlegen, ob du Carrie übernehmen kannst. Sie braucht Hilfe, und ich glaube, du tätest ihr gut.«
»Du sagst das aber nicht nur aus Nettigkeit, oder?«
Frieda runzelte die Stirn. »Glaubst du wirklich, ich würde dich einer Frau empfehlen, die gerade Kummer hat, nur um dich aufzuheitern? Außerdem steht es ihr jederzeit frei, sich gegen dich zu entscheiden, falls Sie dich nicht für geeignet hält.«
»Ja, natürlich.«
»Oder du kommst nach dem ersten Gespräch zu dem Schluss, dass es nicht funktionieren würde.«
»Ja.«
»Sie steht unter Schock. Als sie noch dachte, Alan hätte sie verlassen, war das schon katastrophal genug, aber nach allem, was Dean ihr angetan hat …«
»Ich glaube, das ist mir zu heftig«, fiel Jack ihr ins Wort. »Ich weiß nicht, wie ich das anpacken soll.«
»Doch, das weißt du. Außerdem kannst du jederzeit mit mir darüber sprechen. Mal sehen, was sie dazu sagt.«
Jack stand auf, schloss den Reißverschluss seiner Jacke und zog sich eine gelb-lila gemusterte Wollmütze übers zerzauste Haar. »Ach ja, apropos … Saul Klein«, sagte er aus heiterem Himmel.
Frieda erstarrte mitten in der Bewegung. Sie fühlte sich, als hätte ihr jemand einen Tritt in den Magen verpasst. »Was?« Ihre Stimme klang vergleichsweise ruhig.
»Doktor Saul Klein. Der Saul Klein, nach dem der Flügel der Klinik benannt wurde. Er ist dein Großvater.«
»Und?«
»Aber das ist fantastisch! Er ist eine Legende, ein Pionier. Warum hast du mir das nie erzählt?«
»Warum sollte ich?«
»Hast du ihn persönlich gekannt?«
»Nein.«
»Es muss trotzdem ein besonderes Gefühl sein.«
»Meinst du?« Frieda fror, als stünde sie in eisigem Schatten.
»Demnach liegt das bei dir also in der Familie?«
»Was?«, fragte sie in so scharfem Ton, dass er sie verunsichert anstarrte.
»Das Arztgen.«
»Mein Vater war kein Arzt.«
»Was hat er gemacht?«
»Du kommst zu spät, Jack.«
»Wohin? Ich werde nirgendwo erwartet.«
»Dann komme ich zu spät.«
»O ja, klar. Ich bin ja
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