Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
gesagt, und ich habe ihn nie danach gefragt. So eng war unser Verhältnis nicht.«
»Wissen Sie, ob er hetero oder schwul war?«
»Oh, ich bin mir sicher, dass er Frauen mochte. Er war …« Sie runzelte die Stirn. »Jedenfalls bin ich mir sicher, dass er Frauen mochte«, wiederholte sie.
»Warum?«
Janet Ferris wurde rot. »Einfach wegen seiner Art.« Sie griff nach ihrer leeren Tasse, um ihre Verlegenheit zu überspielen. »Er hat gern geflirtet – nicht auf aufdringliche Weise, sondern ganz dezent. Er hat einem einfach das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein.«
»War er gut aussehend?«
»Nicht auf den ersten Blick. Aber mit der Zeit gewann er immer mehr.«
Frieda betrachtete sie nachdenklich: eine kluge und gütige, aber einsame Frau, die ein bisschen in Robert Poole verliebt gewesen war. Er hatte sie aus ihrem Schneckenhaus gelockt und sie aufgeheitert, indem er ihr zuhörte und ihr das Gefühl gab – wie hatte sie es ausgedrückt? –, das Gefühl, dass sich jemand um sie kümmerte.
»Wissen Sie, wo er gewohnt hat, bevor er hier eingezogen ist?«
»Ich habe keine Ahnung. Durch Ihre Fragen merke ich erst, wie wenig ich über ihn wusste. Ich glaube, ich war ihm gegenüber eine ganz schöne Egoistin.«
»Das glaube ich nicht.«
»Wissen Sie, was?« Janet Ferris schwieg einen Moment und wurde dabei wieder rot.
»Was?«
»Sie erinnern mich an ihn. Mit Ihnen kann ich auch so gut reden. Manche Menschen sind einfach gute Zuhörer.«
»Und er war das auch?«
»Ja. Und jetzt ist er nicht mehr da.«
Nachdem Janet Ferris zur Arbeit aufgebrochen war, blieben Frieda noch etwa zwanzig Minuten, bis sie selbst auch los musste, um rechtzeitig zu ihrem Termin mit ihrem ersten Patienten der Woche zu kommen. Sie nutzte die Zeit für einen kurzen Abstecher in den ersten Stock. Das Siegel war von Robert Pooles Wohnungstür entfernt worden, und nichts wies mehr darauf hin, dass jemand von der Polizei da gewesen war. Trotzdem hatte Yvette Long ihr klargemacht – und zwar in sehr strengem Ton, als hätte Frieda ihren Anweisungen bereits zuwidergehandelt –, dass sie ja nichts anfassen oder verändern dürfe. Daher beschränkte sie sich zunächst darauf, langsam und leise von Raum zu Raum zu gehen. In der kleinen Diele hingen ein Mantel und eine dicke Jacke an einem Haken, und in der Ecke lehnte ein schwarzer Schirm. Die Wohnzimmereinrichtung bestand aus einem grünen Kordsofa mit passendem Sessel, einem niedrigen Couchtisch, einem beigebraunen Läufer, einem mittelgroßen Fernseher, einer kleinen Kommode, in der, wie Frieda aus dem Polizeibericht wusste, das Notizbuch gefunden worden war, und einem leeren Zeitungsständer. Es gab keine Fotos, keinen Krimskrams, keine Spur von Unordnung. An der Wand hingen ein paar Bilder. Frieda hatte den Verdacht, dass der Vermieter sie als gemischten Restposten erstanden hatte: eine Darstellung vom Eiffelturm bei Nacht, eine nichtssagende, eher düstere Madonna mit Kind, ein rosa Sonnenaufgang oder -untergang über dem Meer, ein Mohnblumenfeld von Monet. Nur ein einziges Bild – ein Paar leuchtend orangeroter und fast abstrakt anmutender Fische – sah aus, als könnte es sich dabei um Robert Pooles persönlichen Geschmack handeln und nicht um ein weiteres abgedroschenes Klischee, das ein Stückchen Wand bedeckte. Dagegen waren die paar Bücher, die nicht nach Themen, sondern nach Größe geordnet im Regal standen, schon ein bisschen aussagekräftiger: drei große Bildbände, in denen es um städtische Gärten ging, ein dickes Taschenbuch, das nach einem Handbuch für Bauarbeiter aussah, Nord und Süd von Mrs. Gaskell, Unser gemeinsamer Freund von Charles Dickens, mehrere Bücher zum Thema Fitness, ein Fachbuch über forensische Medizin. Frieda stand minutenlang vor dem Regal und betrachtete die Bände mit gerunzelter Stirn. Dann ging sie in die Küche. Auf der Arbeitsplatte standen eine Teekanne und eine Pressfilterkanne für Kaffee. Vier braune Tassen hingen an Haken an der Wand. In einem Regal waren Gläser und Teller untergebracht: jeweils sechs große Trinkgläser und sechs Weingläser von der gleichen Sorte, sechs weiße Teller, sechs weiße Schalen. Neben dem Kochfeld hingen Topfhandschuhe und ein Geschirrtuch. Frieda wickelte das Geschirrtuch um ihre Hand und öffnete damit vorsichtig die Tür des Vorratsschranks: eine Tüte Mehl, eine Tüte Zucker, eine Packung Müsli, eine Packung Cornflakes, eine Schachtel Mince Pies, ein Glas löslicher Kaffee, englischer
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