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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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an. Langsam hob sie ihre Hand, als hätte sie es nie zuvor getan. Instinktiv tastete sie mit den Fingern nach der Elfenbeinbrosche an ihrer Brust.
    Er wankte zum Rand des Beckens und kletterte hinaus. Dann half er Eleanor heraus und auf den Boden, während das Wasser in Strömen an ihnen herunterlief.
    »Was ist das für ein Ort?«, fragte sie zitternd, als er sie in die Arme nahm.
    Sinclair wusste es nicht. Um ihretwillen hoffte er, dass es der Himmel sein möge. Doch aufgrund seiner Erfahrung fürchtete er, dass es die Hölle war.

Dritter Teil
    Die neue Welt
    Sie stöhnen, regen, heben sich,
Doch blicken, reden nicht!
Wie seltsam, Tote leben sehn,
Selbst wär’s ein Traumgesicht!
    Der alte Matrose

Samuel Taylor Coleridge, 1798
Deutsch von Ferdinand Freiligrath

24 . Kapitel 13 .Dezember, 16 : 20 Uhr
    Michael stand im Bug des gestrandeten Walfängers und hob einen eisbedeckten Rettungsring auf. Er wischte das Eis von den kaum erkennbaren Buchstaben und las den Namen des Schiffes. Es war die
Albatros
gewesen und Oslo ihr Heimathafen. Aber jetzt waren da keine Albatrosse, die über ihm in die Lüfte stiegen, nur Raubmöwen, Sturmvögel und weißgesichtige Scheidenschnäbel. Sie alle waren durch die Ankunft des Hundeschlittens angelockt worden und hielten nach Leckerbissen Ausschau.
    Von seinem Beobachtungsposten direkt hinter der Harpunenkanone aus konnte Michael bis zum Strand blicken, wo die See-Elefanten brav bei den Fotoaufnahmen mitgemacht hatten. Auf dem vereisten Hügel, hinter den Lagerhäusern, Kochhütten und Flensdecks, stand das höchste Gebäude der Walfangstation. Es war eine alte Holzkirche, mit weißen Farbflecken an den Wänden und einem schief angenagelten Kreuz auf der Kirchturmspitze. Er benutzte das Zoom, um ein paar Aufnahmen aus der Ferne zu machen, aber es würde sich lohnen, sie sich später genauer anzuschauen.
    Die Eingeweide des Schiffes hatte er bereits untersucht. Teilweise machte es den Eindruck, als sei es schon vor Jahren aufgegeben worden, mit verrosteten Konsolen, zerbrochenen Fenstern und verzogenen Treppen, andererseits sah es aus, als sei es gestern noch bewohnt gewesen. Auf einem Tisch in der
Kombüse lagen noch Messer und Gabel fein säuberlich gekreuzt auf einem Blechteller. Eine Koje war mit einer gestreiften Wolldecke und einem weißen, am Kopfende zurückgeschlagenen Laken bedeckt. Im Steuerhaus lag ein gefrorener Zigarrenstumpen auf der Fensterbank. Selbst die Harpunenkanone, die wie ein Maschinengewehr auf eine erhöhte Stahlplattform montiert war, sah aus, als könnte sie ihre todbringende Arbeit jederzeit wieder aufnehmen – wenn jemand das wollte. Michael hatte wiederholt versucht, sie herumzudrehen, aber die gesamte Mechanik war eingefroren.
    »Hey, pass auf, wohin du mit dem Ding zielst!«, hörte er Danzig vom Strand unter sich schreien. Er stand im versteinerten Kiefer eines Blauwals.
    »Die ist nicht geladen«, erwiderte Michael.
    »Das sagen alle.« Die Walrosszähne baumelten an seinem Hals, und sein Bart flatterte im Wind. Als Danzig aus dem Kiefer trat, sah er aus wie ein altnordischer Gott, der sich entschieden hatte, unter die Menschen zu gehen. »Hast du gekriegt, wofür du gekommen bist?«
    »Zum Teil. Warum?«
    »Weil ich zurück muss.«
    Michael hatte nichts dagegen. Wie angestrengt er während der letzten Stunden auch versucht hatte, nicht an den Eisblock in Darryls Labor zu denken, er hatte ihn nie ganz vergessen. Vielleicht verpasste er gerade
die
Gelegenheit zu einem großartigen Foto.
    »Ich erwarte einen Anruf von meiner Frau«, fügte Danzig hinzu.
    Dass Danzig verheiratet war, kam Michael seltsam vor. Etwas so Banales, so Alltägliches hatte er von einem außergewöhnlichen Mann wie Danzig nicht erwartet.
    Aus Michaels Zögern musste Danzig seine Gedanken erraten haben, denn er sagte: »Das ist nicht unmöglich, weißt du.«
    »Aber wann siehst du sie?«, wollte Michael wissen, als er bereits seine Ausrüstung zusammensuchte und in der Tasche verstaute. »Ich dachte, du würdest hier leben.«
    »Nicht die ganze Zeit«, erwiderte Danzig.
    »Wo ist sie jetzt?«, fragte Michael, und fügte dann hinzu: »Warte, lass mich erst runterkommen.«
    Als er bei Danzig zwischen all den Knochen auf dem Strand war, sagte dieser: »Miami Beach«, und Michael musste unwillkürlich lachen.
    »Was ist so lustig daran?«
    »Gar nichts. Es ist nur nicht das, was man erwarten würde.«
    »Und das wäre?«, hakte Danzig nach, als sie sich auf den Weg zum

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