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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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musste. Er kam sich vor, als lese er von einem schlechten Science-Fiction-Drehbuch
ab. Als Nächstes müsste sie eine Strahlenkanone zücken oder von ihm verlangen, zum Anführer gebracht zu werden. Einen Moment lang fragte er sich, ob er dabei war, seinen Verstand zu verlieren.
    »Nun, es freut mich, Sie kennenzulernen, Eleanor Ames«, sagte er. Erneut musste er beinahe lachen, so albern kam er sich vor.
    Fehlte nur noch, dass sie einen Knicks machte.
    Rasch sah er sich im Raum um. Auf der eisernen Bettstatt lag eine schmutzige alte Decke, und darunter lagen ein paar Flaschen, die aus der versunkenen Truhe stammten.
    »Wo ist Ihr Freund?«
    Sie antwortete nicht. Aber er konnte sehen, dass sie fieberhaft nachdachte.
    »Ich glaube, Sie nennen ihn Sinclair?«
    »Er ist fort«, sagte sie. »Er … hat mich verlassen.«
    Das glaubte Michael keine Minute lang. Er wusste, dass sie ihn, aus welchen Gründen auch immer, deckte. Wer oder was auch immer diese Frau letztendlich sein mochte, ihr Gesichtsausdruck und ihre Stimme verrieten ihre offenkundig menschlichen Emotionen. In dieser Hinsicht war sie nicht gerade geheimnisvoll. Und was das Geheimnis um den Aufenthaltsort von diesem Sinclair anging, so verblasste es im Vergleich zu all den anderen Fragen, die schwer im Raum schwebten. Wie waren sie in den Gletscher eingeschlossen worden? Und wann? Wie waren sie im Labor aus dem Eisblock entkommen? Oder hatten den Weg hierher, nach Stromviken gefunden?
    Die wichtigste Frage betraf das Unbegreiflichste von allem: Wie war sie wieder lebendig geworden?
    Vielleicht gab es eine Möglichkeit, irgendetwas davon auf taktvolle Weise herauszubekommen, aber Michael wusste nicht, wie er das anstellen sollte.
    Ein Sack Hundefutter lehnte an der Wand. Er begann mit einer
einfachen Frage. »Sinclair ist also mit dem Hundeschlitten unterwegs?«
    Wieder überlegte sie schnell, bis ihr offenbar klar wurde, dass sie nichts davon hatte, wenn sie weiterhin log. Ihre Schultern sackten nach unten. »Ja.«
    Es gab eine unangenehme Pause. Jetzt erst sah er, dass ihre Augen rotgerändert und die Lippen aufgesprungen waren. Sie fuhr sich mit der Zunge darüber. Sein Blick wanderte zur offenen Flasche auf dem Tisch. Er wusste, was darin war.
    Aber ahnte sie, dass er es wusste?
    Als er sie wieder ansah, sah er, dass sie es wusste. Sie hatte den Blick gesenkt, als würde sie sich schämen, und eine hektische Röte stieg ihr in die Wangen.
    »Sie können nicht hierbleiben«, sagte er. »Ein Sturm zieht auf und wird bald hier sein.«
    Er konnte sehen, wie verloren und verwirrt sie war. In welcher Beziehung stand sie zu Sinclair? Er hatte sie offenbar in diesem Zimmer eingeschlossen und war weiß der Teufel wohin verschwunden. War er ihr Geliebter? Ihr Mann? War er der einzige Mensch auf der Welt, den sie kannte? War er der einzige Mensch auf der Welt, den sie kennen
konnte
? Alles, was Michael wusste, war, dass er sie nicht hier in der eiskalten Kirche zurücklassen konnte. Er musste sie überreden, mit ihm zu kommen, und zwar schnell.
    »Wir können später wiederkommen, um nach Sinclair zu suchen«, schlug er vor. »Wir werden ihn nicht aufgeben. Aber warum kommen Sie jetzt nicht mit uns?«
    Bei der Erwähnung des Wortes »uns« riss sie die Augen auf und spähte durch die offene Tür in die leere Kirche. Offenbar fragte sie sich, wer sich ihr noch aufdrängen würde.
    »Ich bin zusammen mit einem Freund hier«, erklärte Michael. »Wir können Sie mit zur Station zurücknehmen.«
    »Ich kann nicht«, sagte sie.
    Michael ahnte, was sie dachte, oder zumindest zum Teil. »Aber dort können wir uns um Sie kümmern.«
    »Nein, ich werde nicht fortgehen«, sagte sie. Doch ihre Stimme schwankte, und selbst ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. Es war, als hätte allein ihr Protest sie ihrer letzten Kraft beraubt. Sie ging vom Fenster fort und setzte sich auf die Kante der Pritsche, wobei sie sich auf beiden Seiten mit den Händen abstützte. Der auffrischende Wind rüttelte an den Läden, und der Luftzug ließ das Feuer im Ofen heller aufflackern.
    »Ich gebe Ihnen mein Wort«, versicherte er ihr, »dass niemand Ihnen etwas tun wird.«
    »Vielleicht wollen Sie es nicht«, erwiderte sie, »aber Sie werden es tun.«
    Michael war sich nicht sicher, worauf sie hinauswollte, aber aus der Ferne hörte er Lawsons Schneemobil dröhnen, als es langsam den Hügel heraufkroch. Alarmiert blickte Eleanor auf. Wie, fragte Michael sich, würde sie dieses Geräusch

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