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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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Kerze aus und schlüpfte leise aus dem Krankensaal.

33 . Kapitel 16 .Dezember, 10 : 00 Uhr
    Michael und Lawson rasten mit Vollgas über das Eis, aber sie fanden keine Spur von Danzig oder den vermissten Hunden. Michael wusste, dass er das Tempo drosseln sollte, denn jeden Moment konnte sich irgendwo eine neue Gletscherspalte auftun. Bewegung und Geschwindigkeit waren schon immer sein Mittel der Wahl gewesen, wenn irgendetwas drohte, ihm über den Kopf zu wachsen. Dann flüchtete er sich am liebsten in Aktivität, körperliche Aktivität. Solange er in Bewegung war und sich ganz darauf konzentrieren musste, in Sekundenschnelle Entscheidungen zu treffen, konnte er die dunklen quälenden Gedanken hinter sich lassen; beim Klettern, beim Kajakfahren in Stromschnellen oder beim Tauchen an einem Korallenriff. Er war klug genug, um zu wissen, dass er ihnen nicht entkommen konnte – wie oft hatte er das schon versucht –, doch die vorübergehende Atempause reichte im Allgemeinen, dass er wieder Luft hatte.
    Jetzt zum Beispiel versuchte er, ganz im Augenblick zu leben, indem er sich zuerst auf die Spitze des Schneemobils konzentrierte, das über die karge Landschaft jagte, dann, als er sich der Küstenlinie näherte, auf den lässig dahingleitenden riesigen weißen Albatros über ihm. Er begleitete Michael schon eine ganze Weile, in trägen Kreisen sank er und stieg wieder auf und hielt perfekt mit den beiden Maschinen Schritt. Lawson fuhr links von ihm und näherte sich der Walfangstation auf direkterem Weg.
Michael dagegen hielt sich dichter an die Küstenlinie und fuhr zwischen dem mit ausgeblichenen Knochen übersäten Strand und den verfallenen Fabrikgebäuden hindurch. Auf dem großen offenen Flensdeck trafen die beiden Schneemobile wieder aufeinander. Als sie die Motoren ausstellten, legte sich die Stille wie eine Decke über sie. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich die Ohren daran gewöhnt hatten, doch dann hörte Michael den Wind, der den Schnee über den gefrorenen Boden trieb, und den entfernten Schrei des Albatros. Als er aufblickte, zog der Vogel immer noch mit den weiten ausgebreiteten Flügeln seine Kreise, doch er machte keine Anstalten, zu landen.
    Lawson schob die Schneebrille in die Stirn und sagte: »Wenn die Hunde hier wären, hätten sie uns kommen gehört … «
    » … und wir hätten sie inzwischen ebenfalls gehört«, stimmte Michael zu. »Aber wir haben noch etwas Zeit, bevor der Sturm aufzieht, warum siehst du dich also nicht hier ein wenig um, während ich auf den Hügel fahre?«
    Lawson nickte und hielt sich an zwei Skistöcken fest, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Inzwischen humpelte er deutlich und sagte: »Ich komme in einer Stunde nach.«
    Michael warf einen Blick auf die Uhr, kletterte wieder auf sein Schneemobil und brachte die Maschine auf Touren. Er schoss eine dunkle Gasse zwischen den Überresten der Kochhallen hindurch und hielt dann auf die Kirche mit dem schiefen Glockenturm zu. Anstatt zu versuchen, zwischen den Grabsteinen hindurch zu manövrieren, die die Kirche umgaben, hielt er auf halber Strecke an und ging den Rest des Weges bis zu den Stufen zu Fuß. Mit der Schulter drückte er gegen die schwere Holztür, schob sie auf und betrat die schlichte Kirche. Der Fußboden war aus Stein, die hölzernen Kirchenbänke durchgesessen und am Ende des Kirchenschiffes diente ein auf Böcken stehender Tisch als Altar. Ein roh gezimmertes Kruzifix hing von den Dachbalken herab. Michael hatte es so eilig gehabt, von der Forschungsstation
wegzukommen, dass er sich nicht die Mühe gemacht hatte, seine gesamte Kameraausrüstung mitzubringen. Aber er hatte seine verlässliche Canon dabei und machte rasch ein paar Schnappschüsse. Immerhin blieben ihm noch zwei Wochen, und er plante, noch einmal wiederzukommen und bessere Aufnahmen zu machen. Die Kirche war vielleicht vor einem Jahrhundert oder mehr gebaut worden, doch sie hatte eine merkwürdige Atmosphäre der Erwartung behalten. Irgendwie würde er das gerne einfangen, dieses Gefühl, dass sich die Kirchenbänke jeden Augenblick wieder mit erschöpften Walfängern füllen könnten und der Priester von der Kanzel im Schein einer Öllampe aus der Bibel vorlas.
    Unter einer Kirchenbank entdeckte Michael die zerrissenen Umschläge von Gesangbüchern, doch als er sie aufheben wollte, stellte er fest, dass sie am Boden festgefroren waren. Er machte ein Foto davon, fragte sich aber, ob das nicht zu gekünstelt wirkte. Anschließend schob

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