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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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Sache ist die, wir haben sie zurückgeholt.«
    »Zur Basis?«
    »Ins Leben.«
    Charlotte stand einfach nur da und kratzte sich träge mit dem Fingernagel an der Wange. »Was hast du gerade gesagt?«
    »Sie lebt. Dornröschen ist aufgewacht, und sie lebt.«
    Sie sah aus, als würde sie die Sache für einen Scherz halten, und noch dazu für einen schlechten.
    »Und dafür hast du mich aufgeweckt?«, fragte sie. »Ich habe nämlich einen ziemlich anstrengenden Tag hinter mir, und … «
    » … ich sage die Wahrheit. Es stimmt!« Er sah ihr direkt in die Augen, damit sie merkte, dass er es ernst meinte und nicht das Große Auge hatte.
    »Ich weiß nicht, was du vorhast«, sagte Charlotte und gab ihren Widerstand auf, »aber jedenfalls hast du mich aufgeweckt. Wo ist das Wunder?«
    »Nebenan, auf der Krankenstation.«
    Michael wich ihr aus, als sie, immer noch ein bisschen zerschlagen, zur nächsten Tür ging und dabei hin und her schwankte. Lawson stand im Wartebereich herum wie ein werdender Vater vor dem Kreißsaal und sagte nichts, als Charlotte das Untersuchungszimmer betrat und Michael ihr folgte.
    Eleanor lag ausgestreckt auf der Untersuchungsliege, wie eine Leiche auf der Totenbahre. Die Hände waren über ihrer Brust gefaltet. Ein orangeroter Daunenmantel lag auf einem Stuhl. Eleanor trug ein langes, altmodisches, dunkelblaues Kleid und eine weiße Brosche an der Brust. Ihre Augen waren geschlossen, aber sie schlief nicht. Sie atmete schwach durch den geöffneten Mund.
    Michael stellte fest, dass Charlotte auf einen Schlag hellwach wurde.
    Halt dich fest
, war das Erste, was Charlotte dachte.
    Wer war diese junge Frau? Auf jeden Fall sah sie so aus wie die Frau im Eis, auf die Charlotte einen kurzen Blick hatte werfen können.
    »Sie ist vor einer Stunde zusammengebrochen«, erklärte Michael, »als wir versuchten, sie zu überreden, die alte Kirche in der Walfangstation zu verlassen.«
    Die Walfangstation? Die alte, verlassene Walfangstation? Und jetzt lag dieses Mädchen, das höchstens neunzehn oder zwanzig Jahre alt sein konnte, hier in den altertümlichen Kleidern vor ihr? Nichts davon ergab irgendeinen Sinn. Charlotte schwor sich, es sich in Zukunft zweimal zu überlegen, bevor sie Beruhigungsmittel schluckte. Sie ergriff das Handgelenk der Frau und fühlte ihren Puls. Er war stabil, aber schwach, doch ihre Finger fühlten sich an wie tiefgefrorene Fischstäbchen.
    »Ihr Name ist übrigens Eleanor Ames.«
    Charlotte betrachtete sie. Sie hatte ein wunderschönes Gesicht, das sie an Portraits aus dem neunzehnten Jahrhundert erinnerte, die sie im Kunstmuseum in Chicago gesehen hatte. Die Züge waren fein und edel, die Brauen schmal und geschwungen, aber insgesamt wirkte sie seltsam ätherisch und unwirklich. Es war, als betrachte sie tatsächlich ein Portrait oder eine liebevoll gestaltete Wachsmaske. Etwas, das nicht ganz echt war.
    Konzentrier dich,
dachte sie.
Konzentrier dich einfach auf deinen Job. Lass dich nicht ablenken von anderen Sachen, die für dich keinen Sinn ergeben.
Das war eine Lektion, die sie in der Notaufnahme gelernt hatte, mehr als einmal.
    »Eleanor«, sagte sie und beugte sich tiefer, »können Sie mich verstehen?«
    Die Augenlider flatterten.
    »Ich bin Dr.Barnes. Dr.Charlotte Barnes.« Sie warf Michael einen Blick zu. »Spricht sie Englisch?«
    Er nickte heftig. »Sie ist Engländerin.«
    Charlotte brauchte einen Moment, um das zu verarbeiten. »Können Sie bitte die Augen für mich aufmachen?«
    Eleanor wandte leicht den Kopf auf dem Kissen, dann öffnete sie die Augen. Verwirrt blickte sie zu Charlotte auf, dann wanderte
ihr Blick zu dem Rentier auf ihrem Pullover und wieder zurück zu ihrem breiten Gesicht.
    »Gut gemacht«, sagte Charlotte aufmunternd, »sehr gut.« Sie tätschelte Eleanors Hand.
Aber wenn sie nicht die Frau aus dem Eis ist, wenn sie nicht Dornröschen ist, wer könnte sie dann sein? Und wie soll sie hierher an den Südpol gekommen sein?
Charlotte verscheuchte die Gedanken.
Konzentrier dich
. »Wir werden Ihre Körpertemperatur in die Höhe treiben, dann fühlen Sie sich im Nu besser.«
    Charlotte horchte ihr Herz und ihre Lungen mit dem Stethoskop ab. Das Kleid der Frau war im viktorianischen Stil gearbeitet und verströmte einen salzigen, eisigen Duft.
Fast, als wäre sie damit im Wasser gewesen
. Charlotte bat Michael, in die Kantine zu gehen und etwas »Nettes und Heißes zu holen, heiße Schokolade vielleicht«, während sie die oberflächliche Untersuchung

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