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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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sich jedoch weiter vorwärts und auf sie zu.
    »Sinclair«, sagte sie hustend, »der Priester kommt.«
    Sinclair drehte sich um und sah, wie der Mann einen im Weg liegenden Brocken Putz beiseiteschob.
    »Hier entlang«, sagte er und führte Eleanor zu einer der Seitenkapellen. Doch dort standen ein paar Männer in feinen taillierten Samtjacken, fassungslos, aber kampfeslustig, und rührten sich nicht von der Stelle. Sie mussten umkehren, und schon hatte der Priester sie erreicht, umklammerte die goldenen Litzen an Sinclairs Wams und rief wütende Worte, die sie nicht verstanden. Er wedelte mit den Armen, als wollte er sagen, dass dieses Chaos über sie hineingebrochen war, weil Sinclair ein entsetzliches Sakrileg begangen hatte.
    Eleanor fragte sich, ob es so war.
    Sinclair schlug die Hände des Mannes zur Seite, doch als dieser immer noch nicht von ihm abließ, holte er aus und hieb ihm mit der Faust in den Bauch. Der alte Priester fiel auf die Knie und stürzte nach Luft schnappend in den Staub. Sinclair packte Eleanors Hand und rannte mit ihr das Mittelschiff hinunter und durch eine Seitentür in der Nähe der Nische mit dem Ritter in der Rüstung. Das helle Sonnenlicht blendete sie für einen Moment, und die Erde bebte erneut. Noch immer flohen die Menschen aus den Häusern und Geschäften, Hunde bellten und Schweine quiekten in den Straßen. Sie rannten eine gewundene Treppe hinunter und durch eine Gasse mit Kopfsteinpflaster. Rotgebrannte Ziegel wurden von einem Dach geschleudert und zersprangen vor ihren Füßen. Nach wenigen Minuten waren sie im
Durcheinander eines Marktplatzes voller panischer Menschen untergetaucht.
    Das war nicht die Hochzeit, die Eleanor sich als junges Mädchen ausgemalt hatte, als sie träumend in den Wiesen von Yorkshire gelegen hatte.
    Und nun? Jetzt stand sie vor einer rechteckigen weißen Kiste, einem Kühlschrank, ihr Atem ging flach, und der Raum auf der Krankenstation verblasste vor ihren Augen zu einem fahlen Weiß. Sie streckte die Hand aus, um sich irgendwo abzustützen, doch ihre Knie waren zu schwach. Sie ließ sich zu Boden sinken und lehnte die Stirn gegen die kühle Oberfläche der Tür. Dort drin befand sich das, was sie brauchte. Und ohne es wirklich zu wollen, tastete sie nach dem Türgriff, öffnete die Kiste und ergriff einen der Beutel mit dem schwappenden Blut darin. » 0 negativ« stand auf dem Etikett. Sie überlegte nur kurz, was das bedeutete. Mit den Zähnen riss sie den Beutel auf und noch auf dem Boden, den weichen, weißen Bademantel um sich ausgebreitet, saugte sie daran wie ein neugeborenes Baby.

46 . Kapitel 22 .Dezember, 10 : 00 Uhr
    Sinclair war sich nicht sicher, was ihn aufgeweckt hatte. Er saß vornübergesackt auf dem hohen Stuhl, der Kopf ruhte auf dem Altar. Eine Hand lag auf dem Gedichtband, die andere auf dem fast leeren Abendmahlkelch. Von der zischenden Kerze stieg eine schmale Rauchfahne auf.
    Ein Hund, der auf den Hinterläufen im Mittelgang saß, ließ ein hungriges Heulen hören.
    Er hatte von Eleanor geträumt – hatte er jemals von etwas anderem geträumt? Aber es war kein glücklicher Traum gewesen, wenn man es überhaupt einen Traum nennen konnte. Er erinnerte sich an die Auseinandersetzung, die sie gehabt hatten, kurz bevor er zur Jagd aufgebrochen war. Vom Kirchturm aus hatte er die Gegend erkundet und festgestellt, dass die Küste sich in nordwestlicher Richtung ausdehnte, vielleicht ein Fluchtweg. »Vielleicht sind wir doch nicht so isoliert.«
    »Sinclair«, hatte sie leise und mit großer Vorsicht erwidert, »wir sind so isoliert, wie zwei Menschen nur sein können.«
    »Unsinn«, entgegnete er, riss ein weiteres Gesangbuch entzwei und warf es in den Ofen. »Wir haben genauso ein Recht, auf der Welt zu sein, wie jeder andere auch.«
    »Aber wir sind nicht wie jeder andere. Ich weiß nicht, was wir sind, oder was der Herr für uns vorgesehen hat, aber das … kann nicht zu Seinem Plan gehören.«
    »Dann ist es eben mein Plan!«, hatte er geschrien, »und bis auf weiteres muss das reichen.« Als er in den brennenden Ofen starrte, spürte er, dass er langsam kurzatmig wurde und alles nur noch verschwommen sah. »Ich habe Gottes Plan gesehen, und ich kann dir sagen, dass der Teufel es nicht hätte ärger machen können. Die Welt ist ein Schlachthaus, und ich war daran beteiligt, es zu einem zu machen. Wenn ich eines gelernt habe, dann, dass wir für unser Schicksal selbst verantwortlich sind, von Anfang an, jeden Tag.« Er

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