Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
Vom Netzwerk:
an die Tauchausrüstung denken, die er getragen hatte, als er Eleanor aus dem Eis befreit hatte.
    Eleanor schien sich in der Vorstellung seiner Begleiter vom Dornröschen in Draculas Braut verwandelt zu haben. Wie lange die Tatsache, dass sie lebte und sich in Point Adélie aufhielt, in der Station ein Geheimnis bleiben würde, war ungewiss. Und wie lange sie überhaupt noch hierbleiben konnte, war noch ungewisser.
Michaels Aufenthaltsgenehmigung lief in neun Tagen ab. Das nächste Versorgungsflugzeug würde planmäßig an Silvester landen, und er musste damit zurückfliegen. Aber was würde dann mit Eleanor geschehen? Wer würde sich um sie kümmern? Wem würde sie ihre Geschichte erzählen? Und vor allem: Wem konnte sie vertrauen? Michael hatte vollkommenes Vertrauen in Charlotte, aber sie hatte einen Job zu erledigen. Sie war die zuständige Ärztin für die ganze Station, und er konnte nicht von ihr erwarten, dass sie das Kindermädchen spielte. Und Darryl … nun, Darryl war nicht unbedingt der Typ, der einen Narren an Eleanor fressen würde, vor allem, solange es noch Fische zu sezieren gab und hämatologische Forschungen anstanden. Und was, wenn Sinclair Copley niemals wieder auftauchte? Lawsons Ansicht nach war das ziemlich wahrscheinlich. Eleanor wäre verlassener als je zuvor, isoliert und einsam in einem Gefängnis, das nicht sehr viel größer war als der Eisblock.
    Es sei denn …
    Das Schneemobil traf auf eine kleine Erhebung, flog über den Boden und prallte mit einem dumpfen Schlag wieder auf, wobei das Hinterteil einen Moment ins Schleudern geriet.
    Konzentrier dich,
sagte er sich,
oder du wirst dir noch den Hals brechen.
Er schüttelte den Kopf, um den Schnee vom Visier zu bekommen, und umfasste den Lenker fester. Doch seine Gedanken wanderten wieder dahin, wo sie zuvor gewesen waren. Zu dem Tag, der bald kommen würde, an dem er Point Adélie und damit auch Eleanor würde verlassen müssen.
    Aber was wäre, wenn … er staunte, dass er die Idee nicht schon früher hatte (oder hatte er?) – Was wäre, wenn sie mit ihm zusammen zurückfahren würde? Wenn das Versorgungsflugzeug sie ebenfalls mitnähme? Der Gedanke war so verrückt, dass er kaum fassen konnte, dass er tatsächlich darüber nachdachte. Murphy wäre garantiert froh, sie los zu sein. Außerdem hatte er einen nicht unbeträchtlichen Einfluss auf die wenigen Menschen in
der Basis, die von ihr wussten, und könnte sie dazu bringen, Stillschweigen zu bewahren. Er könnte ihnen das Leben erleichtern oder erschweren, je nachdem. Trotzdem, wie sollte Michael die ganze Sache arrangieren? Wie sollte er jemanden wie Eleanor in die Staaten bringen? Jemanden wie Eleanor hatte es schließlich noch nie gegeben. Jemanden, der noch nie ein Flugzeug gesehen hatte, oder ein Auto, oder einen CD -Player. Jemanden, der keinen Reisepass besaß und seine Staatsbürgerschaft nicht nachweisen konnte, es sei denn, Königin Victoria ließe sich kurz blicken, um für sie zu bürgen.
    Abgesehen von allen offensichtlichen Schwierigkeiten, die allein schon die Reise bedeutete, wie sollte er für jemanden wie sie sorgen? Wie weit war es zur nächsten Blutbank in Tacoma?
    Etwa eine halbe Meile vor sich sah Michael die düstere Ansammlung von Schornsteinen, Lagerhäusern und Schuppen. Oben auf dem Hügel erkannte er den Turm der Kirche. Erleichtert sah er, dass Murphy und Franklin wie besprochen ihre Schneemobile nach rechts lenkten, auf den Strand mit den ausgeblichenen Knochen und dem Wrack der
Albatros
zu. Wenn Sinclair hier auf der Walfangstation war, stellte sich die Frage, was sie mit ihm tun sollten, wenn sie ihn lebend fanden. Ihn ebenfalls auf der Krankenstation verstecken? Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass er sich in der Kirche verbarrikadiert hatte, in der Kammer hinter dem Altar. Michael wollte ihn unbedingt zuerst finden, um seine Sorgen zu zerstreuen und vernünftig mit ihm zu reden. Wenn Sinclair lebte, dann würde er argwöhnisch, misstrauisch und vermutlich sogar feindselig sein. Aus seiner Perspektive hatte er allen Grund dazu.
    Deshalb musste Michael mit ihm allein sein, vorausgesetzt, sie fanden ihn überhaupt.
    Sobald Lawson auf dem Flensdeck zum Stehen kam, weil die eisernen Schienen der Containerwagen die Ketten des Schneemobils zerstören könnten, hielt Michael neben ihm an und
schaltete den Motor seiner Maschine aus. Die plötzliche Stille war wundervoll. Michael klappte das Visier seines Helms nach oben, und die kalte Luft traf ihn wie

Weitere Kostenlose Bücher