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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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zerriss ein weiteres Gesangbuch und warf es ins Feuer. »Wenn wir das hier überleben wollen, dann müssen wir um jeden Atemzug kämpfen, um jeden Bissen, den wir essen, und um jeden Tropfen, den wir trinken.« Er sah sich nach der nächsten Flasche um und schloss: »Gott hilft niemandem.«
    Als er seinen Blick dem immer noch bellenden Hund zuwandte, entdeckte er keinen Hinweis auf Gott … es sei denn, er nahm die merkwürdige Stille draußen als Zeichen. Der Sturm war vorbei und der Wind war zu einem Wispern abgeklungen. Vielleicht hatte ihn das Fehlen des ständigen Tobens geweckt? Jetzt hatte er die Möglichkeit, sich endlich auf die Suche nach Eleanor zu machen.
    Gott half niemandem, aber wenn er die Kraft fände, die Hunde anzuschirren und vor den Schlitten zu spannen, dann würde er sich selbst helfen können. Er hob den Kelch und trank die letzten Tropfen.
     
    Michael war nicht überrascht, dass er der Erste am Fahnenmast war, dem Treffpunkt für die Suchmannschaft. Er stand neben seinem Schneemobil und stampfte mit den Füßen auf, um die Blutzirkulation in Gang zu bringen. Irgendjemand hatte eine lange Girlande aus rot-grünem Lametta mehrmals um den Fahnenmast geschlungen. Inzwischen war sie am Metall festgefroren, und Michael bezweifelte, dass man sie je wieder abbekommen würde. Von nun an würde in Point Adélie immer Weihnachten sein.
    Er warf einen Blick zum Himmel. Sogar durch seine Sonnenbrille war es ein hartes, blendendes Blau, wie die Farbe der Ostereier, die er als Kind bemalt hatte. Ein schmutzig-grauer Vogel schoss durch sein Blickfeld, machte in der Luft kehrt und stürzte sich auf seinen Kopf. Michael duckte sich schnell und hörte das Kreischen, als der Vogel sich noch einmal näherte. Er hielt die behandschuhte Hand über den Kopf, da er sich daran erinnerte, dass die Vögel immer den höchsten Punkt ihres Zieles anpeilten. Aber erst, als der Vogel erneut an ihm vorbeischoss, fiel ihm ein, dass sich kein Nest hier in der Nähe befand, zumindest konnte er keines entdecken. Ebenso wenig ein Stück Aas, das der Vogel für sich haben wollte. Er wischte sich schnell die Eiskristalle von der Brille, um den schwirrenden Vogel besser erkennen zu können. War das etwa Ollie?
    Der Vogel flog in weiten Kreisen um den Fahnenmast herum, an dem sich die amerikanische Flagge geräuschlos im kalten Wind bewegte, ehe er schließlich auf dem Dach des Hauptgebäudes landete. Michael durchsuchte seine Taschen und fand einen steinharten Müsliriegel. Raubmöwen waren, wie er wusste, nicht allzu wählerisch. Ohne die Handschuhe auszuziehen, entfernte er mühselig die Verpackung, während der Vogel ihn aufmerksam beobachtete. Michael hielt den Leckerbissen in die Luft, damit der Vogel ihn begutachten konnte, und warf ihn anschließend ein paar Meter vor sich auf den Boden. Diese Vögel waren Aasfresser, und sie waren klug genug, sich keine Gelegenheit entgehen zu lassen. In der nächsten Sekunde war der Vogel vom Dach verschwunden und landete ungeschickt mit weit aufgerissenem Schnabel vor ihm auf dem Boden. Er hackte ein paar Mal zu, um den Riegel zu zerkleinern, und schon hatte er ein, zwei Brocken heruntergeschlungen. Michael musterte ihn, in der Hoffnung, irgendetwas zu erkennen, das ihm sagte, ob es Ollie war oder nicht. Der Vogel würgte das letzte Stück vom Müsliriegel herunter, und Michael ging in die Hocke, um ihn besser ansehen zu können.
    »Ollie?«, sagte er. »Bist du es?«
    Der Vogel betrachtete ihn ausdruckslos aus den perlenartigen Augen, flog jedoch nicht davon. Michael streckte eine Hand aus. Das war nicht gerade das Schlauste, was man in Gegenwart einer gefräßigen Raubmöwe tun konnte, auch wenn die Hand in einem dicken Fäustling steckte. Der Vogel kam hüpfend einen Schritt näher, pickte vorsichtig am Handschuh und wartete.
    »Na so was«, murmelte Michael. Er wusste nicht warum, aber er spürte einen Kloß im Hals. Vielleicht hatte es etwas damit zu tun, dass das kleine Kerlchen es schließlich doch geschafft hatte, zu überleben … oder dass es eines der wenigen Lebewesen war, das überlebt hatte, obwohl Michael es angefasst hatte. Er musste an Kristin denken, wie sie in ihrem Bett im Krankenhaus lag, und an die Beerdigung, zu der er nicht kommen konnte. Er sah die vielen großen Sonnenblumen vor sich, die den Sarg umgaben. Der Vogel pickte erneut an seiner Hand, und Michael wünschte, er hätte noch mehr, um es ihm zu geben.
    »Alles alle«, sagte er, stand wieder auf und streckte

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