Eisiges Blut
ein Schlag ins Gesicht.
»Und jetzt?«, sagte Lawson, und Michael, nur um ihn loszuwerden, schlug vor: »Fang du hier um die Lagerplätze und Nebengebäude herum an zu suchen. Ich fange oben auf dem Hügel an und arbeite mich langsam nach unten vor.«
Lawson nahm seine Harpunenbüchse und nickte. Er hängte seinen Helm über den Lenker des Schneemobils und stapfte davon. Michael verstaute seinen eigenen Helm und schlug den Weg zur Kirche ein. Von hier konnte er die schiefen Grabsteine und kurz darauf die Tür erkennen. Beide Torflügel waren geschlossen. Ein interessanter Hinweis, da beim letzten Mal einer der Flügel durch eine Schneewehe versperrt gewesen war und offengestanden hatte. Vielleicht war jetzt jemand zu Hause.
Die Polarsonne stand direkt über seinem Kopf, und als er die Stufen hinaufstieg, fiel sein kurzer Schatten direkt auf das Holz unter seinen Füßen. Von drinnen hörte er ein Scharren, dann Gebell. Er lehnte seine Schulter gegen den knarrenden Rahmen, drückte die Tür auf und wurde von den Schlittenhunden begrüßt, die wild auf ihn losstürmten. Er kniete sich hin und ließ zu, dass sie ihm das Gesicht und die Handschuhe ableckten und wild um ihn herumsprangen, während er seinen Blick durch den leeren Raum schweifen ließ. Neben der Tür entdeckte er einen Stapel mit Vorräten und einen Haufen Ausrüstung, als plante jemand, in Kürze aufzubrechen.
Auf dem Altar sah er einen Kerzenstummel und eine schwarze Weinflasche.
Er wusste nicht, ob er rufen sollte, um sich bemerkbar zu machen, oder besser leise hineinschleichen, um sein Opfer zu überraschen.
Vorsichtig ging er durch das Kirchenschiff, an den uralten Kirchenbänken vorbei und um den Altar herum zum Raum dahinter.
Die Tür war angelehnt, und er stieß sie vorsichtig auf. Auf der Pritsche hatte jemand geschlafen, das Feuer im Ofen war jedoch erloschen. In der Luft hing der Geruch von kalter Asche und nasser Wolle. Die Fensterläden standen offen und schlugen klappernd gegen die Wand. Eine Gestalt kroch verstohlen zwischen den Grabsteinen und suchte einen Weg um die Rückseite der Kirche herum.
Und es war niemand von der Suchmannschaft.
Er trug einen roten Daunenmantel mit weißem Kreuz auf dem Rücken. Michael erkannte ihn wieder, es war einer der Mäntel, die an den Kleiderhaken im Hundezwinger hingen. Der Kopf des Mannes war unbedeckt. Er hatte dunkelblonde Haare und einen Schnauzbart von derselben Farbe.
Das war also Sinclair, Eleanors Geliebter. Er lebte.
Michael verspürte einen merkwürdigen Stich, der wieder verschwand, kaum dass er ihn bemerkt hatte. Er rannte aus dem Zimmer, seine Stiefel polterten und schlitterten über die Steinplatten. Die Hunde sprangen und tollten um ihn herum.
»Jetzt nicht!«, rief er und schob ihre weichen Köpfe zur Seite.
Als er endlich die Tür erreicht hatte, hatte Sinclair es beinahe die Böschung hinuntergeschafft, teils rennend, teils mit ausgestreckten Armen rutschend. Unter der offenen Daunenjacke sah Michael die goldenen Litzen einer Uniformjacke aufblitzen, und an seiner Seite baumelte eine Degenscheide. Er rannte auf die Fabriken zu, in denen einst die Wale ausgeweidet und der Tran ausgelassen worden waren. Dann verschwand er in einer engen Gasse zwischen zwei riesigen baufälligen Gebäuden. Michael, der versuchte, mit der Harpunenbüchse in der Hand zu laufen, musste vorsichtiger sein, um den vereisten Hügel herunterzukommen. Er überlegte, wo Sinclair hinwollte. Vielleicht hatte er die Schneemobile gehört, oder sie hatten ihn überrascht. Die Ausrüstung, die neben der Tür aufgestapelt war, legte den Schluss nahe, dass
er selbst gerade aufbrechen wollte. Aber wenn er sich einfach nur verstecken wollte, warum tat er es dann nicht? In den Lagerhäusern und Höfen musste es etwas geben, das er haben wollte.
Und das konnten nur Waffen sein.
In der Ferne zwischen zwei Schuppen blitzte etwas Rotes auf, und Michael folgte ihm. Lawson war zum Glück nirgendwo zu sehen, und am Strand hörte er das Dröhnen von Murphys und Franklins Schneemobilen. Das Letzte, was Michael jetzt wollte, war eine Störung. Wenn er Sinclair rechtzeitig einholte, hätte er ihn ganz für sich allein, zumindest für eine Weile.
Dann erinnerte er sich an das Gestell mit den rostigen Harpunen in dem, was früher vermutlich einmal die Schmiede gewesen war. Aber wo war die nur? Michael blieb einen Moment stehen, um Luft zu holen und sich zu orientieren. Er hatte die Schmiede schon einmal gesehen. Sie war
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