Eisiges Blut
es darauf ankam, würde diese Entdeckung seinen Namen bekannt machen.
Abgesehen von seiner allgemeinen Morphologie rechtfertigte allein das Blut Tausende von Tests. Das Frostschutz-Glykoprotein unterschied sich geringfügig von denen anderer Antarktisfische, die Darryl untersucht hatte. Eines Tages könnten seine Ergebnisse für unzählige Zwecke genutzt werden, die bereits in der Diskussion waren, vom Enteisen von Flugzeugtragflächen bis zur Isolation von Tiefseeproben und für wer weiß noch alles.
Doch Darryls gegenwärtige Experimente hatten ein noch
phantastischeres Ziel. In dem Moment, als Charlotte Barnes erwähnte, dass eine Blutkonserve aus der Krankenstation fehlte, hatte keiner von ihnen daran gezweifelt, was damit geschehen war. Eleanor Ames hatte sie genommen. Doch wenn sie Point Adélie und damit den Schutz, den sie ihr bieten konnten, verlassen und sich irgendwo in der Welt niederlassen wollte, musste sie zunächst ihre schreckliche Sucht überwinden. Darryl war kein Idiot, er wusste, welchen Medienrummel es um sie geben würde, denn es gab keinen Weg, dieses unstillbare Verlangen auf Dauer zu befriedigen und geheim zu halten.
Er hatte weitere Proben von Eleanors Blut genommen und sofort damit begonnen, andere Untersuchungen und Tests zu machen. Er arbeitete mit einer Vermutung, die ebenso ausgefallen war wie das Problem. Ihr Blut, ebenso wie das von Ackerley und Danzig, hatte einen Anteil von Phagozyten, der weit jenseits jeder Norm war. Aber statt nur die Bakterien, Fremdstoffe und Zellabfälle im Blut zu vernichten, fraßen ihre Phagozyten auch die roten Blutkörperchen, zuerst die eigenen, und dann fremde, so viel sie kriegen konnten. Aber was wäre, überlegte Darryl, wenn er einen Weg fände, den normalerweise toxischen Wert an weißen Blutzellen beizubehalten – der offensichtlich half, Lebensprozesse unter den ungünstigsten Bedingungen aufrechtzuerhalten –, und ein Element hinzufügte, das dem Verlangen nach fremdem Blut vorbeugte? Kurz gesagt, was wäre, wenn er Eleanor in die Lage versetzte, sich ein, zwei Tricks von den wechselwarmen, hämoglobinlosen Fischen abzuschauen, die Darryls Aquarien und Becken bevölkerten?
Er hatte ein Dutzend verschiedener Blutkombinationen angesetzt und alle sorgfältig markiert. Die Reagenzgläser bewahrte er unter gleichbleibender Temperatur in demselben Kühlschrank auf wie seine Softdrinks. In regelmäßigen Abständen kontrollierte er, wie sich die Proben entwickelten. Er wollte gerade wieder nachschauen, als es laut an der Labortür klopfte.
Als er öffnete, polterte Michael herein. Seine nassen Schuhe machten schmatzende Geräusche auf der Gummimatte.
»Willst du was Kaltes zu trinken?«
»Sehr witzig«, erwiderte Michael und schob seine schneebedeckte Kapuze zurück.
»Das war kein Witz.« Darryl ging zum Minikühlschrank, riss eine Dose Root Beer auf und hockte sich auf seinen Laborstuhl. »Wo warst du?«
»In Stromviken.«
Darryl wusste, dass es nur einen Grund dafür gab, warum er dorthin gefahren sein konnte. »Hast du ihn gefunden?«
Michael zögerte, doch das genügte bereits, und Darryl wusste Bescheid.
»Ist er noch am Leben?«
Michael schwieg erneut, während er den Reißverschluss seines Parkas öffnete, ihn auszog und auf den nächsten Stuhl warf.
»Vergiss, was Murphy dir gesagt hat«, erklärte Darryl. »Du weißt, dass ich es ohnehin irgendwann erfahren werde. Wer sonst hier ist in der Lage, eine Blutanalyse zu machen?«
»Ja«, antwortete Michael schließlich. »Aber es geht ihm nicht gut. Er wurde verletzt, und Charlotte hat ihn versorgt.«
»Wie schwer wurde er verletzt?«
»Charlotte glaubt, dass er nur eine leichte Gehirnerschütterung und eine Kopfwunde hat.«
»Er ist also auf der Krankenstation?«, sagte Darryl, bereit, hinüberzurennen und ein paar frische Blutproben einzusammeln.
»Nein, im Fleischlager.«
»Da schon wieder?«
»Murphy will nicht die gesamte Station dem Risiko aussetzen«
Widerstrebend musste Darryl zugeben, dass der Chief recht hatte. Immerhin hatte er Ackerley in Aktion erlebt. Wer konnte schon sagen, was geschähe, wenn Eleanor sich mit der anderen
verlorenen Seele wiedervereinigte, die wahrscheinlich von derselben »Krankheit« befallen war wie sie. Sie könnten eine ziemlich unheilige Allianz eingehen.
»Und«, sagte Michael, eine Spur zu beiläufig, »wie läuft’s?«
»Wie läuft was?«
»Das Mittel. Hast du eine Möglichkeit gefunden, Eleanor zu helfen?«
»Wenn du mich
Weitere Kostenlose Bücher