Eisiges Blut
eine nicht definierte Stellung. Aber er wurde bereits als der rechtmäßige Vertreter der Frau angesehen, die sie aus der Tiefe geholt hatten.
»Sie sollte auf jeden Fall nicht direkt in ein Gebäude gebracht werden«, dachte Danzig laut nach, »denn wenn sie zu schnell auftaut, könnte die Leiche beschädigt werden.«
Michael musste zugeben, dass da was dran war.
»Vielleicht können wir sie in das Eiskernlager hinter dem Eislabor legen. Betty und Tina könnten uns ein paar von ihren Werkzeugen leihen, um das überflüssige Eis wegzuschneiden.«
»Hört sich gut an«, sagte Michael. Er war froh, dass es jemanden gab, der klarer denken konnte als er selbst.
Unter den Hunden entstand eine Unruhe. Danzig brüllte »Hey!« und ging zu ihnen, um sie zur Ruhe zu bringen. Michael hatte die Huskys schon mehr als einmal in Aktion erlebt und wusste, dass sie ein ungestümer Haufen waren, aber normalerweise reagierten sie sofort auf Danzigs Kommandos. Doch jetzt zerrten mehrere von ihnen an ihren Geschirren und wichen vor dem Eisblock zurück. Ihr Leithund Kodiak, ein kräftiges Tier mit Augen wie blaue Murmeln, bellte und knurrte sogar. Danzig sprach mit fester, ruhiger Stimme, gepaart mit Handzeichen, um die Hunde zur Ruhe zu bringen, aber selbst er wirkte überrascht von der Rebellion.
»Kodiak!«, brüllte er schließlich und riss mehrmals an der Leine. »Platz!«
Der Hund blieb stehen und bellte wie verrückt.
»Platz! Kodiak … Platz!«
Danzig musste dem sich windenden Hund eine Hand in den Nacken legen und ihn aufs Eis drücken. Dort hielt er ihn fest, um seine Autorität zu zeigen. Die anderen Hunde winselten zwar noch, folgten jedoch allmählich und verstummten. Danzig entwirrte
die Geschirre und Leinen, dann stellte er sich hinter den Schlitten und rief: »Hike!«
Die Hunde sprangen auf und legten sich ins Geschirr, doch nicht mit ihrem gewohnten Überschwang. Der Schlitten rührte sich kaum. Zwei oder drei von ihnen versuchten mehrmals, sich umzudrehen, als fürchteten sie sich vor etwas, und Danzig musste die Zügel knallen lassen und seine Kommandos immer wieder brüllen.
Michael fragte sich, ob die Last nicht einfach zu schwer war.
»Hike! Hike!«, brüllte Danzig. Die Hunde sprangen nach vorn, und dieses Mal begannen die Kufen übers Eis zu gleiten. Als der Schlitten in Fahrt kam, lief er immer gleichmäßiger, bis die zwölf Huskys schließlich im Einklang liefen. Der Eisblock mit seiner gefrorenen Fracht war auf dem Weg zur Station. Während Calloway die Tauchhütte abschloss, ließ Michael sich von Franklin auf dem Schneemobil mitnehmen, auf dem sie den bellenden Hunden zurück zur Basis folgten.
Egal, wie lange Michael mit gesenktem Kopf unter der Dusche stand und das heiße Wasser über die Haare und den Köper laufen ließ, er hatte immer noch das Gefühl, dass ein Teil von ihm, tief in seinem Inneren, beständig Kälteschauer aussandte. Als der Duschraum einer Dampfsauna glich und er kaum noch die Hand vor Augen erkennen konnte, drehte er das Wasser ab und rubbelte sich schnell mit einem der frischen Handtücher ab, die stets überreichlich bereitlagen. Er musste auf seine Schulter aufpassen, die er sich in den Kaskaden ausgerenkt hatte. Von Zeit zu Zeit bereitete sie ihm immer noch Probleme, und das Tauchen mit einer so schweren Ausrüstung und in solcher Tiefe hatte ihr nicht gerade gutgetan. Mit dem Handtuch wischte er einen Teil des beschlagenen Spiegels ab und entwirrte seine langen Haare. Er hatte an fast alles gedacht, bevor er Tacoma verlassen hatte, aber einen Friseurbesuch hatte er glatt vergessen, so dass seine
Haare noch zotteliger aussahen als sonst. Er könnte sich die Haare schneiden lassen, einer vom Stationspersonal fungierte gleichzeitig als Friseur. Aber niemand in Point Adélie schien sich sonderlich um sein Aussehen zu scheren. Betty und Tina stapften in Männerkleidung herum, die blonden Haare hastig zu losen Knoten zusammengebunden, und die meisten Männer sahen aus, als hätten sie gerade das Stadium eines Höhlenbewohners hinter sich gebracht. Fast alle trugen Bärte, Schnurrbärte und sogar lange Koteletten, wie sie zuletzt zur Zeit des Bürgerkriegs in Mode waren. Auch Pferdeschwänze waren sehr beliebt, besonders unter jenen Beakern, die zu Glatzen neigten, wie Ackerly. Der Botaniker war so selten außerhalb seines Labors zu sehen, dass er den Spitznamen »Gespenst« bekommen hatte. Was Danzig anbelangte, so trug er zusätzlich zu seiner Kette aus
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