Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
Vom Netzwerk:
nach der anderen vorgestellt und gehofft, dass Sinclair eine von ihnen hinlänglich anziehend fände. Aber Sinclair war ein Mann, der schon immer gewusst hatte, was er wollte, und jetzt wollte er Eleanor Ames.
    Als die Droschke Eleanors Straße erreichte, wies Sinclair dem Kutscher den Weg zu ihrer Pension, dann warf er ihm ein paar Münzen zu, während er bereits aus dem Wagen sprang. »Wenn Sie warten, verdienen Sie sich auch noch das Geld für die Rückfahrt«, rief er.
    Die Stufen der Vordertreppe waren zerbrochen, und die Tür zum Vestibül hatte kein Schloss. Als Sinclair eintrat, hörte er einen einsamen Hund hinter einer dünnen Tür bellen. Weiter hinten im Korridor schrie ein Mann. Von der Treppe ging ein modriger Geruch aus, der ärger wurde, je höher er stieg. Da es auf jedem Treppenabsatz nur ein kleines Fenster gab, wurde es auch immer dunkler, und die Bodendielen unter seinen Stiefeln knarrten. Als er sich der Tür zu Eleanors und Moiras Zimmer näherte, sah er ein paar schwache Sonnenstrahlen auf den Flur fallen. Moira hatte die Tür ein paar Zentimeter weit geöffnet, um zu sehen, wer der Besucher war. Sobald sie Sinclair erkannte, verrenkte sie den Hals, um zu sehen, ob ihm jemand folgte.
    »Guten Tag«, sagte sie, und die Enttäuschung war deutlich aus ihrer Stimme herauszuhören. »Sind Sie ganz allein gekommen?«
    Sie musste gehofft haben, er würde Captain Rutherford mitbringen. Sinclair wusste, dass die beiden sich zu verschiedenen Anlässen gesehen hatten, aber er wusste auch, dass Moira mehr Wert auf diese Treffen legte als Rutherford.
    »Eleanor ist im Salon.«
    Von früheren Besuchen wusste Sinclair, dass es sich bei dem »Salon« um den winzigen Teil des Zimmers handelte, der zur Straße hinaus lag. Vom Rest des Raumes war er durch einen schlichten Vorhang abgetrennt, hinter dem sich das Bett verbarg, das Eleanor und Moira sich teilen mussten.
    Eleanor stand am Fenster. Hatte sie auf die Straße geschaut und auf seine Ankunft gewartet? Sie trug das neue gelbe Kleid, das er ihr geschenkt hatte und das sie nach einigen Schmeicheleien und Überredungskünsten seinerseits schließlich angenommen hatte. Jedes Mal, wenn sie sich trafen, hatte sie dasselbe einfache dunkelgrüne Kleid getragen, und obwohl es ausgesprochen kleidsam war, hatte er sich danach gesehnt, etwas Heitereres und Moderneres an ihr zu sehen. Er verstand nicht viel von Damenmode, doch er wusste, dass das Oberteil des neuen Kleides großzügiger geschnitten
war und einen Blick auf den Ansatz ihrer Schultern und des Halses gestattete. Die Ärmel waren nicht so bauschig, dass sie die Konturen ihrer schlanken Arme verdeckten. Eines Nachmittags war er mit Eleanor durch die Marylebone Street spaziert, und er hatte gesehen, wie ihr Blick an einem Kleid im Schaufenster hängengeblieben war. Am nächsten Tag hatte er es durch einen Boten erwerben und ihr ins Spital schicken lassen.
    Sie wandte sich zu ihm um und errötete. Sie freute sich, ihn in ihrem neuen Staat begrüßen zu können, und selbst im rußigen Licht eines Londoner Nachmittags sah sie strahlend aus. »Woher wussten Sie nur, wie sehr ich mir so ein Kleid gewünscht habe«, sagte sie und deutete auf den Rock. Eine Borte aus weißer Spitze lag wie frisch gefallener Schnee auf ihrem Busen.
    »Wir mussten es nur ein wenig enger nähen«, sagte Moira und machte sich emsig hinter dem Vorhang zu schaffen. »Sie hat eine Figur wie eine Schneiderpuppe.« Sie tauchte wieder auf, mit einem Tuch um die Schultern und einem Beutel in der Hand. »Ich gehe zum Markt«, erklärte sie, »und werde frühestens in einer halben Stunde zurück sein.« Beinahe hätte sie ihnen zugezwinkert, ehe sie die Tür hinter sich schloss.
    Sinclair und Eleanor waren allein und immer noch ein wenig verlegen. Am liebsten hätte Sinclair sie in den Arm genommen und ihr das Kleid, so wunderschön es auch sein mochte, so schnell wie möglich ausgezogen. Aber das würde er nicht tun. Trotz ihrer unterschiedlichen gesellschaftlichen Stellung behandelte er sie so, wie er jede hochgeborene junge Dame behandeln würde, der er auf den Bällen des Landadels oder beim formellen Dinner in der Stadt begegnen würde. Für seine schlichten Begierden gab es schließlich den Salon d’Aphrodite.
    Statt auf ihn zuzukommen, blieb Eleanor, wo sie war, und betrachtete prüfend sein Gesicht. »Ich fürchte, ich habe Ihnen noch gar nicht gebührend für das Kleid gedankt«, sagte sie schließlich. »Es ist ein wundervolles

Weitere Kostenlose Bücher