Eisiges Feuer (German Edition)
bitterkalt und das Ruckeln unangenehm wurde. Er dämmerte vor sich hin und sammelte seine Kräfte für den geeigneten Augenblick zur Flucht, wann auch immer der sich bieten würde.
Es wurde bereits hell, als sie auf eine zweite Soldatengruppe trafen und anhielten.
„Irgendwas gefunden?“
„Nein, Herr Hauptmann. Der Schnee ist hier so hart gefroren, dass es keine Spuren gibt, und die Bande scheint viele falsche Fährten gelegt zu haben. Die Hunde sind schon ganz verwirrt und erschöpft.“
„Gut. Holt alle her, die sich in Signalweite befinden, wir schlagen hier das Hauptlager auf, damit sich alle ausruhen können. Der Schattenherr möge das Adelspack fressen! Die hocken auf ihren Schlössern und wir frieren uns hier die Ärsche ab für ein paar armselige Räuber. Olif, du achtest auf den Gefangenen! Und wenn wir nichts finden, geht’s nach Hause, verstanden? Rabenfurt soll zufrieden sein mit dem, was wir hier bringen.“
Albor wurde vom Wagen losgebunden und fortgebracht, das Maultier, das den Karren gezogen hatte, ausgespannt. Über die Leichen – die echte und die vermeintliche – wurde nachlässig ein Tuch geworfen; niemand dachte daran, sie bewachen zu müssen. Als alles um ihn herum still war, kletterte Kirian heraus.
„Nun heißt es aber wirklich Abschied nehmen, alter Mann“, flüsterte er Billes Leiche zu. „Du hast mich treu beschützt!“
Während der Fahrt hatte Kirian mit Albor einige Handzeichen ausgetauscht, sie waren sich einig: Kirian würde zum Ausweichlager fliehen und dann mit Verstärkung zurückkehren, um Albor zu befreien. Rabenfurt war die einzige größere Stadt hier im unwirtlichen südlichen Hochland und Stammsitz des hiesigen Landesherrn.
Hoffentlich irren wir uns nicht. Hoffentlich! Sonst könnte es sein, dass wir zu spät kommen, dachte Kirian, während er humpelnd entkam. Ein Glück, dass zumindest die Wunde aufgehört hatte zu bluten. Halt durch, Albor, wir lassen nicht zu, dass sie dich hängen!
Er schlug trotz der Schmerzen und der zunehmenden Schwäche noch einige Umwege, um falsche Fährten zu legen, auch wenn er davon ausging, dass man sein Verschwinden erst morgen früh bemerken würde, wenn die Spur längst kalt geworden war. Aber es war immer besser, sich nicht auf das Schicksal zu verlassen.
8.
„Lest die Anklage vor!“
Albor hörte die Stimme des Stadtobersten von Erlenbach, aber der Sinn der Worte entglitt ihm. Einen vollen Mondlauf hatte er ausgehalten, die erbarmungslose Folter ertragen, gewartet, gehofft. Jeden Tag ein bisschen weniger. Man hatte ihn nicht nach Rabenfurt gebracht, sondern hierher, mehr als hundert Meilen weiter nördlich. Den Grund hatte er vielleicht sogar gewusst, aber der war vergessen, verloren unter Schmerz, Kälte und Hunger. Verraten hatte er nichts, egal, wie sehr sie ihn quälten. Geweint, um Gnade gefleht, sich völlig entehrt, das ja. Aber die Bande hatte er nicht verraten.
Albor wusste, Kirian hatte überlebt. Der Folterknecht war kein wortgewandter Mann, der Lügen verdrehen konnte, bis sie nach Erlösung klangen. Albor hatte stets die Sicherheit gehabt, dass die Bande entkommen war. Alle, bis auf Bille und ihn selbst. Mehr als einmal war er dicht davor gewesen einfach aufzugeben. Alles zu sagen, was er wusste, und damit seine Freunde auszuliefern. Die einzige Familie, die er noch besaß. Kirian hatte ihn vor zehn Jahren gerettet, als er sich bis fast zur Besinnungslosigkeit betrunken von einem Felsvorsprung stürzen wollte. Damals hatte Albor sterben wollen, wie seine Frau und seine Kinder, hinweggerafft von einem Feuer. Ein Feuer, das Albor möglicherweise durch Nachlässigkeit selbst verschuldet hatte. Bis heute wusste er nicht, was wirklich in dieser Nacht geschehen war, aber durch Kirians Hilfe hatte er gelernt, mit dieser Ungewissheit und der Trauer zu leben. Die Narbe in seinem Gesicht, die er bei dem vergeblichen Rettungsversuch seiner Familie davongetragen hatte, sie erinnerte ihn daran, wie schnell all das ausgelöscht werden konnte, was man liebte. Egal, was der Knecht ihm antat, er hatte nichts verraten. Seine Schwäche, seine Nachlässigkeit würde nicht noch mehr Menschen töten!
Nun lag er auf nackter Erde, zu schwach, um stehen zu können, und wartete, dass die sinnlosen Worte endlich alle gesprochen waren und man ihn hängen würde. Einige Hundert Menschen mochten um ihn herumstehen, ihn angaffen, sich darauf freuen, seinen Todeskampf mitanzusehen. Albor hörte sie. Es war ihm gleich. Er hatte
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