Eisiges Feuer (German Edition)
sehr aus Wut wie aus Verzweiflung. Lys wandte sich ihr zu, streckte zögernd die Hand nach ihr aus, um sie zu trösten, doch ihr flammender Blick hielt ihn zurück.
„So tut es doch endlich, quält mich nicht länger!“, bettelte sie schluchzend.
„Und dann – habe ich es getan“, flüsterte Lys an Kirians Schulter. „Ich wollte langsam vorgehen, um ihr Schmerzen zu ersparen, aber dafür verhöhnte sie mich nur noch mehr, also …“
„War sie denn noch unberührt?“, fragte Kirian mit schwankender Stimme. „Oder stammt ihre Abscheu vielleicht aus bitteren Erfahrungen mit männlicher Gewalt?“
„Wenn, dann wurde sie dabei nicht an dieser Stelle berührt, sie war noch Jungfrau.“ Lys wollte diesen für sie beide schmerzhaften und demütigenden Akt einfach nur vergessen. „Sie hat keinen Laut von sich gegeben, erst danach hat sie geweint. Ich habe ihr geschworen, dass ich es niemals wieder tun werde, niemals. Wenn ich bei klarem Verstand gewesen wäre, hätte ich auch auf dieses eine Mal verzichtet. Der Himmel weiß, wie ich überhaupt dazu fähig war …“
Sie schwiegen eine Weile, Kirian in augenscheinlich finstere Gedanken versunken, Lys zu aufgewühlt und erschöpft zugleich, um noch reden zu können, den Tränen zu nah, die er nicht vergießen wollte. Es war einfacher, sich an diesen starken Körper zu klammern und Kraft zu schöpfen, ohne lügen oder sich verstellen zu müssen.
„Würdest du denn so weit gehen?“, flüsterte Kirian schließlich. „Würdest du deiner Frau ein fremdes Kind in die Arme legen, um deine Machtposition zu sichern? Sobald du einen Erben präsentieren kannst, rückst du in der Thronfolge an erste Stelle, noch vor deinen Schwiegervater. Ist es das, was du willst?“
Lys seufzte tief, zu müde, um von dieser Frage verletzt zu sein. Kirian stand, zumindest im Augenblick, auf seiner Seite, doch was wussten sie schon voneinander?
„Die wirren Thronfolgegesetze haben für mehr Unglück und Blutvergießen gesorgt als der Krieg gegen die Rombruger. Dieser Unfug, dass alles von der Geburt eines Sohnes abhängen soll … ich könnte sogar Roban sein Erbe wegnehmen, sollte Elyne schneller einen Jungen zur Welt bringen als meine Schwägerin. Der König und mein Schwiegervater würden mich zu töten versuchen, sobald ein Sohn mir weitere Macht gibt. Diese Gesetze bringen uns alle in Lebensgefahr. Ich würde sie abschaffen, wenn ich jemals Gelegenheit dazu bekomme, Kirian, aber ich ziehe die gleichen Grenzen wie Elyne. Ich habe viel riskiert, um überhaupt in die Nähe des Throns zu gelangen, und einen hohen Preis dafür gezahlt. Ich habe noch mehr riskiert, um sowohl von Corlin als auch Lichterfels unabhängig leben zu können, ich habe gelogen, betrogen, intrigiert. Aber sollte ich jemals ein Kind in den Arm nehmen und es als mein eigenes anerkennen, dann sei gewiss, Kirian, dass es dem Schoss meiner mir angetrauten Frau entstammt. Ob ich es selbst gezeugt habe, wird allerdings nur sie dir sagen können.“
„Dann hoffe ich für Onur, dass du einst die Krone trägst, und sei es nur, um diese Gesetze abzuschaffen.“ Kirian küsste ihm sanft auf die Stirn. „Du wirst viel Kraft brauchen, um diesen Weg gehen zu können. Um dich herum sind nur Feinde, Fürsten und Mächtige, die dich im Augenblick noch nicht ernst nehmen, dich für einen lächerlichen, liebestollen Schönling halten. Doch Maruv und Archym von Lichterfels sind bereits alte Männer, ihre Zeit kann jederzeit ablaufen, und sobald sie begreifen, was du wirklich planst, werden sie sich auf dich stürzen, um schon im Vorfeld zu verhindern, dass du jemals weiter aufsteigst.“
Lys nickte nur und löste sich langsam von ihm.
„Ich bin froh, dass du für mich da warst, Kirian“, flüsterte er. „Ich kann nicht sagen, wie dankbar ich dir bin. Aber du musst jetzt gehen. Es wird bald dämmern, und dann wird es zu gefährlich für dich.“
Der Sheruk grinste nur. „Große Worte von jemandem, der gerade eine stille Revolution begonnen hat.“
„Bitte. Ich weiß nicht, was das da zwischen uns ist. Es dürfte nicht einmal ein uns geben. Aber wie du schon sagtest, ich habe auf dieser Welt, abgesehen von meiner Familie, nur Feinde oder Gegner, die bald meine Feinde sein werden. Wenn ich mit ansehen müsste, wie du verhaftet und als Eindringling hingerichtet wirst, würde mich das zerstören.“
Kirian zog ihn gewaltsam zu sich zurück und küsste Lys mit soviel Kraft, dass es für sie beide schmerzhaft
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