Eisiges Feuer (German Edition)
folgte ihm, lediglich ein Mann blieb zurück.
„Ein Lasttier?“, stotterte der Stadtoberste verständnislos.
„Denkt nach“, höhnte der Soldat. „Es sind zig Meilen von hier bis nach Weidenburg, wo mein Herr residiert. Wenn wir den Kerl hinter den Pferden herlaufen lassen, ist er nach zwei Meilen tot. Glaubt Ihr, der Erbe von Lichterfels zahlt so viel Geld für ein solch kurzes Rachevergnügen?“
Albor wurde derweil gepackt und auf den Karren zurückgeworfen, der ihn vom Gefängnis hierher gebracht hatte.
Also noch mehr Schmerz, noch mehr Leid … Gut, dass Kirian nicht hier ist, es hätt’ ihm das Herz zerrissen … aber so ist’s mit den hohen Herrn, so ist’s eben. Sie herrschen, wir sterben für sie. So ist’s, und so bleibt’s …
9.
Es kostete Lys all seine Kraft und Beherrschung, sich nicht nach hinten umzuwenden. Er wusste, dass Albor schwer verletzt war, welche Qualen der Ritt ihm bereiten musste, selbst in diesem langsamen Schritttempo. Einer der Soldaten wachte darüber, dass der Gefangene nicht von seinem Pony fiel, Lys musste sich auf seinen Untergebenen verlassen. Das war schwer genug, denn die Männer, die Fürst Archym ihm zur Verfügung gestellt hatte, taugten alle nicht viel …
Noch immer kämpfte Lys gegen den Schock, den ihm der Anblick dieses elenden, ausgezehrten Geschöpfs bereitet hatte. Nur durch die Narbe hatte er Albor überhaupt erkannt, als man ihn von dem Karren zerrte. Eigentlich hatte er an Erlenbach, diesem vollkommen unwichtigen Städtchen, vorbei reiten wollen, doch sein Hauptmann hatte darum gebeten, hier kurz Rast einzulegen, da sich bei einem der Lastpferde ein Hufeisen gelockert hatte. Als die Männer dann sahen, dass eine Hinrichtung bevorstand, hatten sie so lange schweigend, aber sehnsüchtig auf den Galgen und die sich sammelnde Menge gestarrt, bis Lys ihnen die Erlaubnis gab zu bleiben. Wie hart hatte er mit sich selbst ringen müssen, geduldig zu warten, bis die verfluchte Anklage endlich vorgelesen war! Aber der richtige Augenblick war entscheidend gewesen, wie stets.
Sie befanden sich auf dem Heimweg, Lys hatte sich mit einigen Landesherren getroffen, in einer Burg weit im Nordosten von Onur. Die Gespräche wären jedem Außenstehenden als belanglos erschienen; tatsächlich aber war es ein wichtiger erster Schritt gewesen, sich politisch anzunähern. Jahrhundertealte Feindschaften konnten nicht mit einem Händedruck beendet werden. Sich auf neutralem Boden zu treffen und über das Wetter, die Jagd und die Freuden guten Essens zu unterhalten bedeutete einen immensen Fortschritt in dieser Hinsicht. Niemand war vorzeitig beleidigt abgereist, es hatte keinen Streit oder Vorwürfe gegeben.
So anstrengend dieser Tanz auf Messerspitzen auch gewesen sein mochte, Lys war froh über jeden Tag, den er fern von Zuhause verbringen konnte. Fern von Elyne.
Drei Wochen nach der Hochzeit hatte sich seine Frau über Übelkeit beklagt. Mit jedem weiteren Tag wurde sie mürrischer, erschöpfter und reizbarer, bis sie nicht einmal mehr versuchte, ihm gegenüber freundlich zu sein, damit die Bediensteten das Bild vom glücklich liebenden Paar weiter trugen. Sie blieb in ihren Gemächern, und erst, als wirklich jeder andere es bereits wusste, sah sie ein, dass sie schwanger war. Elyne weinte stundenlang, was jeder zum Anlass nahm, Lys trösten zu wollen – „Schwangere sind oft seltsam, das geht vorüber, Herr!“
Nur er wusste, dass Elyne weinte, weil sie das Kind in sich hasste. Weil es nun einmal von ihm stammte. Um die Fassade für die Welt aufrecht zu halten, besuchte er sie jeden Tag, nahm alle Mahlzeiten mit ihr gemeinsam ein. Sie an einem Ende des Raumes, er am anderen, die Türen fest verschlossen, damit niemand sie so sah.
„Ich ertrage dieses Spiel“, hatte sie am ersten Tag gesagt. „Ich zeige mich als liebende Ehefrau, lächle, wenn Ihr das wollt, esse mit Euch gemeinsam. Ich weiß, was meine Pflicht als Pfand für das Bündnis unserer Familien ist, und erfülle sie in diesem Sinne. Aber verlangt nicht von mir, dass ich mit Euch rede wie mit einem Freund, sobald wir allein sind!“ Mit diesem Vorsatz hatte sie ihre Brautnacht ertragen, und so wollte sie auch ihre Schwangerschaft hinter sich bringen. Eine Pflicht, die ihr als Adlige nun einmal auferlegt war.
Wenn sie jetzt noch aufhören würde, ständig darüber zu jammern, wie hart diese Pflicht doch ist, wäre das Leben eigentlich wunderbar!
Selbst, wenn es
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