Eisiges Feuer (German Edition)
denken, der flickt mich zusammen, damit er mich nachher in der Burg foltern kann. Er is’ so finster, wenn er lügt, die glauben alles.“
„Wenn du nicht still bist, schlag ich dich nieder“, flüsterte Kirian fast unhörbar. Albors Worte zerrissen ihm das Herz. Wenn er Lys doch nur vertraut hätte! – Aber dafür hatte einfach zu viel auf dem Spiel gestanden.
Es dauerte noch weitere endlose Minuten, bis der Fluchtweg endlich frei war. Sofort kroch Kirian durch das Gras, zog Albor dabei mit sich, bis sie endlich bei den anderen angekommen waren. Er hatte an Heilkräutern und Salben mitgenommen, was er zu packen bekommen hatte und reichte alles weiter.
„Nehmt ihn und lauft Richtung Sommerlager, so schnell ihr könnt“, befahl er. „Ich komme nach.“
„Wo willst du hin?“, fragte Onkar vorsichtig.
„Versuchen, einen schweren Fehler wieder gutzumachen.“
Kirian war schon halb auf dem Weg zurück, als Sveit ihn aufhielt.
„Hör zu, was immer es da zu klären gibt, kann das nicht warten? Das wird bald hell und Albor braucht dich.“
Zögernd blickte Kirian zwischen dem Lager und seinen Leuten hin und her. Lys würde spätestens in der Morgendämmerung von seinen Soldaten gefunden und befreit werden. Sich jetzt noch einmal in das Zelt zu wagen, war gefährlich, wahrscheinlich würde Lys vor Schmerz brüllen, wenn er erst einmal den Knebel los war. Diese Schmerzen brachten ihn vorerst sicherlich nicht um, auch wenn Kirian den Gedanken hasste, ihn noch länger leiden zu lassen.
Ich muss an die Jungs denken, Lys kommt auch ohne mich klar.
Noch einen Augenblick lang rang er mit sich, dann traf er seine Entscheidung.
Lys kämpfte um jeden Atemzug. Die Tränen, die er vor Schmerz und Todesangst vergossen hatte, drohten ihn jetzt umzubringen, denn sie hatten auch seine Nase zum Laufen gebracht. Durch den Knebel konnte er nicht atmen, durch seine zunehmend verstopfte Nase genauso wenig. Sein gesamter Körper schmerzte unerträglich, das Seil, das seine Gliedmaßen zusammenschnürte, war so fest verknotet, dass er nicht einmal den Kopf bewegen konnte, ohne sich selbst zu verletzen. Schlimmer als die körperlichen Qualen aber schmerzte der Hass, mit dem Kirian ihn gefoltert hatte.
Was hast du erwartet? Da war ein hitziges Liebesabenteuer, ein kurzer Moment der Hoffnung auf einem Balkon. Sonst nichts. Kein „wir“, kein „uns“. Er muss sich um seine Leute kümmern.
Die Zeit verstrich unendlich langsam. Lys versuchte, seinen rasenden Herzschlag zu zählen, an irgendetwas zu denken, was ihn ablenken konnte, ihm half ruhig zu werden. Er bekam kaum noch Luft, konnte weder ein- noch ausatmen.
Ganz ruhig. Er wird wiederkommen. Er wird mit Albor reden, ihn befreien und dann zu dir kommen.
Sein gequetschter Kehlkopf brannte, jeder einzelne Muskel schien in Flammen zu stehen. Lys konnte die Panik, die Schmerzwellen kaum noch ertragen. Ihm war so schlecht, er kämpfte darum, sich nicht übergeben zu müssen, denn dann wäre er verloren. Warum nur dauerte das so lange?
Selbst, wenn Albor an seinen Verletzungen gestorben ist, Kirian wird kommen. Entweder befreit er dich oder er tötet dich. Egal wie, das hier geht vorbei, sagte er sich immer wieder, bis er es nicht mehr glaubte .
Unter größter Anstrengung gelang es ihm, den Kopf ein wenig zu drehen, so konnte er besser atmen. Nicht viel, aber es wurde etwas erträglicher, der Druck auf den Ohren nahm ab, die Faust um seine Brust lockerte sich. Luft, alles, was er noch wollte, war Luft!
Er hörte den Wachwechsel seiner Eskorte und schrak zusammen – anscheinend war er zwischendurch bewusstlos geworden, ohne es zu bemerken, lag schon lange so hier. Viel länger, als es dauern konnte, drei Zelte weiter zu kriechen.
Panik hämmerte gegen seine Selbstbeherrschung, mit aller Macht.
Narr! Er wird Albor mitnehmen und fliehen! Denken, dass die Soldaten dich morgen früh finden. Wozu alles riskieren, er ist der Bande verpflichtet. Ein Räuber, ein Mörder, vergiss das nicht! Er hasst dich. Das Monster, das du für die Welt bist. Der Preis für den Griff nach Macht, er ist zu hoch …“
Lys konnte es nicht aufhalten, die Gewissheit, dass Kirian ihn zurückgelassen hatte, dass jede Hoffnung auf Liebe und Rettung verloren war. Das neuerliche Schluchzen, das ihn durchschüttelte und unvorstellbare Qualen erzeugte. Die Angst, als er mit jedem Atemzug weniger Luft bekam, und immer weniger, bis das Ringen gegen den Untergang sein gesamtes Bewusstsein erfüllte. Er
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