Eisiges Feuer (German Edition)
hierher in neun Tagen geschafft hast, mit nur einem Pferd – wenn man das Vieh Pferd nennen will – und einem Neugeborenen, dann bist du allenfalls mal zwischendurch in Ohnmacht gefallen, geschlafen hast du nicht. Und gegessen wohl auch nicht, so wie du aussiehst.“
„Wozu auch?“, murmelte Lys. „Tote schlafen ewig.“ Plötzlich packte er Kirians Arm, krallte sich regelrecht hinein. „Versprich mir, dass meine Leiche gefunden wird. Man wird Elyne sofort freilassen, denn sie wird dadurch wieder zum kostbaren Pfand in diesem Spiel. Versprich es!“
„Ich schwöre es.“ Kirian beugte sich über ihn, küsste seine Stirn. Tränen schimmerten in seinen Augen, als er aufstand und das Seil ergriff. „Ich muss das alles mit meinen Leuten besprechen, ich kann diese Entscheidung nicht treffen. Ich bin der Erste unter Gleichen, das war von Anfang an so. Jedes Gesetz gilt für mich genauso wie für alle anderen. Wenn sie verlangen, dass du sterben musst, dann verspreche ich dir auch, dass du dich nicht selbst zu töten brauchst. Ich werde dich damit nicht allein lassen. Und ich lasse dich nicht leiden, ich werde schnell sein.“ Seine Stimme brach. Dann kletterte er hoch, zog das Seil aus dem Loch, legte allerdings das Gitter nicht zurück. Lys konnte keine zwei Schritt hochspringen, er war viel zu erschöpft, um es auch nur zu versuchen. Der bloße Gedanke, ihn einzusperren und zurückzulassen, schnürte Kirian schon die Kehle zu. „Ruh dich aus, ich hoffe, wir müssen dich nicht lange warten lassen“, sagte er, dann ging er hinaus. Noch nie hatte er gezögert, sich einer schweren Entscheidung zu stellen, doch diesmal musste er seine Beine regelrecht zwingen, ihn voranzutragen.
Ihr Götter, dieses Spiel bringt uns alle um …
21.
Sie warteten schon vor seiner Hütte auf ihn, starrten ihn alle schweigend an.
„Ihr wisst, wer er ist“, sagte Kirian und wischte sich ungeduldig über das Gesicht. „Ich habe dieses Gesetz damals aus gutem Grund erlassen, es gilt für jeden, der nicht zu uns gehört. Damit sichern wir uns ab, es hat sich über ein Jahrzehnt lang bewährt. Es darf keine Ausnahmen geben. Aber ihr wisst auch, wer ich bin. Ich kann das nicht entscheiden. Ihr müsst es tun, ohne daran zu denken, was ihr mir damit wegnehmt. Entscheidet, was das Beste für uns alle ist.“
Er wandte sich ab und lehnte sich schwer gegen die Tür der Hütte.
„Kirian, der Junge hat mich vom Galgen gerettet. Und wie du schon sagst, ihr beide seid nun mal, was ihr seid“, wandte Albor ein.
„Das hebt das Gesetz aber nicht auf, das uns alle beschützt. Lys weiß das, er war bereit zu sterben, als er herkam.“
„Kann mal jemand sagen, was das mit dem ihr seid, was ihr seid , auf sich hat, vom Offensichtlichen abgesehen?“, murmelte Onkar, das jüngste Bandenmitglied, sowohl vom Alter als auch der Dauer seiner Zugehörigkeit.
„Lys ist sein Schwager“, erwiderte Ramin, während er mit einem Messer ein Stück Holz attackierte, als wäre es ein Feind, statt zu schnitzen.
Onkar kratzte sich ratlos den rotblonden Lockenkopf, dann begriff er die Zusammenhänge.
„Also wäre Kirian …?“
„Ja, ganz recht. Wäre es vor elf Jahren anders gelaufen, würde er heute Lys’ Position einnehmen, der wäre dann höchstens der Zweite in der Thronfolge, direkt hinter unserem Sheruk. Kirian kann aber nicht mehr zurück. Man hat ihn offiziell verstoßen, er ist tot für seine ehemalige Familie und bleibt damit auf ewig ein Räuber.“
„Lys würde als König einiges ändern, eh?“, fragte Sveit. „Der will doch die Gesetze ändern und anpassen und so, damit das Adelsvolk sich nicht mehr nur untereinander bekämpft, sondern macht, was es soll, nämlich seine Bauern schützen und vernünftig herrschen.“
„Ja, und?“ Kirian starrte ihn hoffnungslos an.
„Wenn Lys jetzt stirbt, wer wird dann auf deinen Vater folgen, Sheruk?“
„Zuerst der alte Corlin und dann Roban. Vielleicht verzichtet der Alte auch direkt. Sobald Lys’ Sohn mündig ist, erhält der dann den Thron.“
„Und Roban, wäre das ’n guter König?“, hakte Sveit nach.
„Woher soll ich das wissen? Er ist ein guter Krieger. Ich kann ihn nicht leiden, also will ich nicht sagen, ob er auch einen guten König abgibt. Wahrscheinlich aber schon.“ Kirian zuckte die Schultern.
„Aber würde er auch die Gesetze ändern? Was fürs Volk tun und so?“
„Worauf willst du hinaus?“, mischte sich Albor ein. „Wir können nicht
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