Eisiges Feuer (German Edition)
rechts wenden, und dann für lange Zeit durch lichteren Wald – er hatte die Sonne im Nacken gespürt. Durch dichtes Gestrüpp, wo Roban beinahe explodiert wäre, als er mit den Händen in Brennnesseln geriet. Und wieder hinauf, diesmal steilere Hänge. Mehrmals war er gezwungen umzukehren, da er merkte, dass er zu weit vom Weg abgekommen sein musste. Sie rasteten kurz, als der Kleine sich meldete, Anniz schimpfte, weil sie auch jetzt die Augenbinde nicht abnehmen durfte, doch Lys wollte kein Risiko eingehen, und rasch zog es ihn weiter. Der Boden war hier matschig, so wie in seiner Erinnerung, die Kronen der Laubbäume waren hier so dicht verwoben, dass kein einziger Lichtstrahl die Erde traf. Hier war er unsicher, da die Räuber zwischen den eng stehenden Stämmen marschiert waren. Er hielt sich geradeaus, bis er irgendwann einen Punkt erreichte, wo er nicht mehr wusste, wo er war.
Hier muss doch irgendwo der felsige Untergrund sein, wo wir die Linkskehre genommen haben!
Nach zwei Stunden vergeblicher Suche verlor er fast den Mut. Doch da stand er plötzlich vor einer Felswand, die den Weg blockierte, und man nur noch nach links ausweichen konnte.
Das muss es sein! Von hier aus ein kurzes Stück, und dann sind wir da!, jubelte er innerlich.
„Bitte Herr, ich habe Angst, ich kann das nicht mehr!“, klagte Anniz zum fünften Mal.
„Ist gut. Nimm sie ab.“ Lys blickte sich noch einmal prüfend um, horchte in sich hinein. Ja, er war sich sicher, sie befanden sich in der Nähe des Lagers. Die Luft roch hier leicht schwefelhaltig, es musste heiße Quellen in der Nähe geben – ein weiteres Indiz.
„Wir müssten bald da sein, und du würdest den Weg sowieso nicht mehr allein finden.“ Erleichtert zog sie sich das Tuch von den Augen.
„Nein, Herr, ich weiß nicht einmal, in welche Himmelsrichtung wir laufen oder seit wie vielen Stunden wir schon unterwegs sind.“
„Lass uns hier noch einmal kurz rasten, sieh nach dem Jungen. Danach reiten wir das letzte Stück.“
Er trank nur einen Schluck Wasser, obwohl er völlig verausgabt und halb verhungert war – er überließ Anniz die letzten Essensvorräte und wartete geduldig, bis sie das Kind versorgt hatte. Sie schimpfte leise mit ihm, er hatte auf der gesamten Reise nur wenig gegessen und alles ihr zugeschoben, damit sie die Kraft behielt, gleich zwei Körper zu nähren. Er kümmerte sich nicht darum, grinste nur leise über sich selbst – er genoss es mit allen Sinnen, von ihr bemuttert zu werden. Roban würde Feuer spucken, wenn er das wüsste! Rasch half er ihr, den Kleinen zu wickeln und alles einzupacken, dann band er ihr das Kind wieder fest an den Körper und hob sie zurück auf das Pferd. Schon nach einer halben Stunde in langsamen Schritt zügelte er das Tier allerdings erneut. „Ganz leise jetzt“, wisperte er Anniz zu. „Wir werden gleich angegriffen werden, bleib auf dem Pferd, bis man dir etwas anderes befiehlt! Und vor allem, versuch nicht einzugreifen, ganz egal, was mit mir geschieht.“ Er glitt aus dem Sattel und griff nach dem Zügel. Es krachte seitlich von ihnen im Unterholz.
Mit schreckensbleichem Gesicht presste Anniz das Kind an sich. Dann ging alles schnell: Zwei Männer brachen aus dem Dickicht hervor, schleuderten Lys zu Boden, entrissen ihm die Waffen und drückten ihn nieder, ein Dritter packte das Pferd am Zügel, hielt es davon ab, zu scheuen, der Vierte drohte Anniz mit dem Säbel.
„Wer seid ihr, und was macht ihr hier?“, zischte eine raue Stimme, die Lys nicht erkannte. Ein harter Schlag traf ihn zwischen den Schultern, der ihm die Luft aus den Lungen trieb, dann wurde er an den Haaren gepackt und hochgerissen. „Wer seid ihr? Rede!“ Eine Faust wurde in seinen Unterleib gerammt, nicht so stark, dass es ihn verletzen konnte, doch er krümmte sich vor Schmerz zusammen.
„Hört auf! Hört auf, ihr Narren, das ist der junge Corlin!“, rief plötzlich jemand. Lys stöhnte benommen und sackte in sich zusammen, als man ihn losließ.
„Bei allen Seelenfressern, wie hast du uns gefunden?“ Lys wurde in eine Knochen brechende Umarmung gezogen.
„Albor, du bringst mich um“, keuchte er. „Es ist eine lange Geschichte. Ich muss zu Kirian.“
Der ältere Mann ließ ihn los und starrte ihn bekümmert an.
„Junge, du hättest nich’ kommen dürfen. Wie hast du nur den Weg gefunden?“
„Albor, ich kenne das Gesetz, ich bin nicht aus Sehnsucht hier. Ich muss sofort zu Kirian“, beharrte Lys. Seufzend fuhr
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