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Eisiges Feuer (German Edition)

Eisiges Feuer (German Edition)

Titel: Eisiges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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voraussagen, ob Roban was taugt. Oder ob Lys hält, was er verspricht. Oder ob er nächstes Frühjahr an der Grippe stirbt, selbst wenn wir ihn gehen lassen. Darum geht es aber doch gar nicht, sondern um unser eigenes Gesetz.“
    „Na, aber versteht ihr nicht?“, beharrte Sveit. „Wir sollen entscheiden, was für uns alle das Beste wäre. Es geht aber ja nicht nur darum, dass da einer fähig war, sich eine Wegstrecke von vier Stunden mit verbundenen Augen zu merken – davon gibt’s wahrscheinlich auch keinen Zweiten in Onur – und zu uns zu kommen. Es geht darum, was Lys’ Tod uns bringt. Oder wegnimmt. Ich meine, der kannte den Weg ja wohl schon seit letztem Herbst und hat ihn nich’ verraten, eh?“
    Alle starrten ihn nun an, wie er da auf einem Fass hockte und in seiner gelassenen, langsamen Art sprach.
    „Der Junge hat Albor befreit und zu uns gehalten, obwohl er ja mehr als nur einen Schlag abgekriegt hat, hm? Er hat Kirian zu einer verdammten Legende gemacht und hält uns das Fürstenpack vom Hals. Und wenn er König werden sollte, wird er vielleicht immer noch zu uns halten. Wenn wir ihn aber umbringen, haben die doch nur einen Grund mehr, uns mit Bluthunden zu jagen. Denkt an seinen Bruder, der würde nich’ aufhören, nur weil es schneit oder so.“
    „Richtig“, fiel Onkar eifrig ein. „Es würde uns allen schaden, wenn wir dem Corlin was antun. Lassen wir ihn leben, könnte es was nutzen.“
    Albor griff nach Kirians Schulter und drehte ihn mit sanfter Gewalt herum. „Wir müssen wohl lernen, unsere Regeln auch mal anzupassen, wenn die Lage es fordert, eh? Geh zu ihm, er war ja ziemlich am Ende. Wenn ich richtig sehe, will hier keiner, dass er stirbt.“
    Kirian blickte jedem ins Gesicht, doch keiner der vierzehn Männer senkte den Blick. Schließlich nickte er stumm, sichtlich bewegt.
    „Geh zu ihm, nu’ los!“ Albor schob ihn voran.
    „Und schlag ihn nicht wieder“, spottete Tilas, der Lys zu verteidigen versucht hatte.
    Aus einer anderen Hütte erklang plötzlich das Wimmern eines Neugeborenen.
    „Wir haben da noch ’n paar Gäste, um die ich mich mal besser kümmern sollte“, seufzte Albor.
    „War das ein Lächeln?“ Sveit zwinkerte ihm zu. „Ja, das war eins. Jungs, Albor hat sein Lächeln wieder gefunden! Liegt das an dem kurzen Schreihals oder seiner Amme?“
    Unter dem gutmütigen Spott der anderen suchte Albor zusammen, was er tragen konnte. Seit seiner Rettung war er zwar körperlich weitestgehend geheilt, doch er lachte nur noch selten, war schreckhaft und durchlebte beinahe jede Nacht schwere Albträume. Die Aussicht, Gastgeber für eine Frau und einen Säugling zu spielen, gefiel ihm tatsächlich ausnehmend gut, so sehr, dass ihm das Lächeln von ganz allein in die Mundwinkel kroch.

Kirian seufzte innerlich, als er in das Loch hinabblickte. Wie er es sich gedacht hatte, saß Lys aufrecht und wartete, was mit ihm geschehen würde. Ganz bei Bewusstsein war er aber wohl nicht, denn er bemerkte Kirian erst, als sich dieser zu ihm niederkniete. Mit leerem Blick aus blutunterlaufenen Augen wandte er den Kopf.
    „Darf ich mich von Anniz und meinem Sohn verabschieden?“, flüsterte er tonlos.
    „Nein.“
    Lys schloss kurz die Lider, krampfte sich zusammen vor innerer Qual. Dann nickte er.
    „Ist gut. Sollen wir denn?“ Er versuchte sich aufzurichten, doch sein Körper betrog ihn: Kraftlos sank er in sich zusammen. Kirian fing ihn gerade rechtzeitig auf, dass er sich nicht den Kopf einschlug.
    „Es geht gleich wieder“, keuchte Lys. Erst jetzt bemerkte er das Lächeln in Kirians Blick und hielt inne.
    „Wir lassen dich leben, Lyskir von Corlin“, verkündete Kirian feierlich. „Daran knüpft sich allerdings die Erwartung, dass du uns weiterhin die Soldatentrupps vom Leib hältst, sobald du deine Gemahlin, die wenig geliebte, befreit hast, und mit der Krone auf dem Kopf gute Arbeit leistest.“
    Er sah, wie die Anspannung aus Lys’ Körper wich und drückte ihn fest an sich, um ihm Halt zu geben. „Ich bin so froh“, flüsterte er und bedeckte das tränenüberströmte Gesicht mit Küssen. „Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin.“ Er legte sich mit dem elendig zitternden Mann zusammen zu Boden, hüllte ihn in eine Decke und zog den Beutel mit getrockneten Früchten und Brot heran. „Du wirst jetzt essen!“, befahl er und erstickte jeden etwaigen Protest mit einem Stück Apfel. „Und dann bleibe ich hier, bis du eingeschlafen bist, sonst versuchst du ja

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