Eisiges Feuer (German Edition)
Gand eingeschüchtert.
„Ihr kehrt sofort nach Hyula zurück. Ich kümmere mich um die Festung, sobald ich Zeit dafür habe“, beschied ihm der Graf knapp. Der Soldat wusste, wann er entlassen war, und floh aus dem Raum.
„Und nun?“
„Nun, liebster Inur, müssen wir warten, was geschieht. Vielleicht wird Kirian versuchen, uns sein Opfer zu verkaufen, nachdem er genug mit ihm gespielt hat. Oder er lässt uns seine Leiche finden. Falls nicht, nun, in zweieinhalb Monaten kann Lyskir für tot erklärt werden, und dann ist es egal, ob er noch irgendwo lebt oder nicht. Ihr seht, wir können gar nicht verlieren.“
Der Graf erschauderte unter dem eisigen Lächeln des Fürsten. Er hielt sich selbst für einen nervenstarken Mann, doch diesem Anblick war er nicht gewachsen.
28.
Ein merkwürdiges, schabendes Geräusch weckte Lys aus intensiven Träumen. Das Geräusch wurde von einer Empfindung begleitet, an die er sich erinnerte, doch sein Kopf weigerte sich, eine Verbindung herzustellen. Finger drückten auf seiner Wange herum, warum nur? Vage war ihm bewusst, dass er diese Berührung schon beim letzten Erwachen gespürt hatte, zusammen mit verschwommenen Bildern von Kirian.
Der Gedanke an seinen Liebsten löste eine Kaskade von Erinnerungen aus, zu viele in viel zu rascher Folge, also drängte er sie mühsam beiseite und öffnete die Augen.
Das Geräusch verschwand. Lys suchte nach einem Orientierungspunkt, wo er sich überhaupt befand, bis er plötzlich Kirians Gesicht über sich sah.
„Da bist du ja wieder“, begrüßte ihn der Sheruk mit einem innigen Lächeln.
Verwirrt starrte Lys zu ihm hoch.
„Halt still, sonst hast du gleich ein Ohr weniger!“ Kirian drückte ihm den Kopf zur Seite, und jetzt begriff Lys, was er gehört und gefühlt hatte – er wurde rasiert. Mit geschickter, ruhiger Hand schabte Kirian ihm mit dem Rasiermesser über Wangen, Kinn und Hals, was er sich in einer Mischung aus Belustigung und Scham gefallen ließ.
„Du siehst so fremd aus mit Stoppelbart, außerdem ist es ein ganz guter Zeitvertreib“, erklärte Kirian ungefragt. „Die letzten Male hast du dich nicht darüber beschwert.“
„Wie lange habe ich geschlafen?“, murmelte Lys schockiert, als er begriff, was diese Worte bedeuten mussten. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er nur noch leichte Schmerzen spürte, vor allem zwischen den Schultern und an den Hüften.
„Drei Tage und Nächte.“ Kirian wischte ihm mit einem Tuch über das Gesicht und küsste ihn dann auf die Nase. „Du warst immer mal ein wenig wach, gerade genug, dass ich dir ein bisschen Tee oder Milch einflößen konnte, aber so munter wie jetzt hast du schon lange nicht mehr ausgesehen.“
„Milch?“ Verwirrt blickte er um sich, doch sie befanden sich noch immer mitten im Wald, bei dem Holzunterstand, an den er sich schwach erinnerte. Die Pferde grasten in der Nähe.
„Ich habe dich mehrmals allein zurücklassen müssen, um in ein Dorf in der Nähe zu reiten, wo ich Heilkräuter, Honig, Milch und einige andere Sachen kaufen konnte. Essen konntest du nicht, irgendwie musste ich dich aber ernähren, und ohne Heilmittel hätte ich dich nicht durchgebracht. Das waren nicht mal die Verletzungen, du warst einfach vollkommen ausgelaugt.“
„Es tut mir leid“, wisperte Lys beschämt. Er wusste genau, was Kirian auf sich genommen hatte in den letzten Tagen. „Ich schulde dir so viel, das kann ich niemals …“ Kirian legte ihm den Zeigefinger auf den Mund und brachte ihn so zum Schweigen.
„Sagen wir einfach, im Moment habe ich einen Gefallen bei dir gut, ja? Ich bin Räuber, kein Krämer, ich schreibe keine Schulden an oder verrechne sie mit Handelswaren.“ Dann verdüsterte sich sein Gesicht plötzlich. „Außerdem fürchte ich, dass du es bald schwierig finden könntest, zu mir zu stehen.“
„Was meinst du?“ Alarmiert versuchte Lys sich aufzusetzen und war erstaunt, dass seine Muskeln gehorchten. Trotz der langen Zeit, die er stillgelegen hatte, ging es ihm recht gut. Kirians Verdienst … Er zog die Decke um seinen nackten Körper, lehnte sich an einen der Pfosten des Unterstandes und harrte auf eine Antwort.
„Ich hatte viel Gelegenheit zum Nachdenken. Ich hoffe sehr, dass ich mich irre, Lys. Ich bete darum. Aber wenn ich richtig liege, kommt nur ein einziger Mann für all das, was geschehen ist, infrage.“
Sofort wollte Lys auf ihn einstürmen, doch Kirian schüttelte
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