Eisiges Feuer (German Edition)
konnte sich gerade noch daran hindern den Kopf einzuziehen, obwohl er fest damit rechnete, für die Lüge bestraft zu werden.
Zu seiner Überraschung nickte sein Gast. „Ja, es stimmt schon, der Junge darf nicht unterschätzt werden. Ach, übrigens, unser Verbündeter in Weidenburg ist tot. Irgendwie muss der Narr sich verraten haben, was schade ist. Er war nützlich, und jeder hat ihm vertraut. Aber nun, vielleicht brauchen wir ja auch gar keinen Spion mehr an dieser Stelle.“
In diesem Moment klopfte es an der Tür, und ein Diener trat ein.
„Herr? Ich weiß, Ihr wünschtet nicht gestört zu werden, doch draußen wartet ein Bote aus Hyula. Ich könnte mich irren, aber es scheint, es ist sehr wichtig.“
„Er soll kommen“, befahl der Besucher, ohne sich um den Grafen zu kümmern.
„Herr, Bartolos wird wohl nur wieder Geld verlangen. Ihr wisst, dieser Mann ist so unersättlich wie brillant“, wandte Graf Sorala ein.
„Auch ihn solltet Ihr nicht unterschätzen. Unser Freiherr ist gierig, ja, aber er weiß, was er seinen Gönnern schuldig ist.“
Ein abgehetzt aussehender Soldat im Wappenrock von Hyula trat ein und verneigte sich respektvoll.
„Edle Herren“, begann er sofort, „mein Name ist Gand, ich bin der momentane Befehlshaber der Festung von Hyula. Diese Angelegenheit erschien mir zu wichtig, als dass ich sie einem anderen Boten auferlegen wollte.“
„Bartolos ist tot?“, fuhr der hochrangige Gast dazwischen.
„Ja, Herr, aber woher …?“
„Unwichtig. Fahre fort!“ Gand zuckte unter dem stechenden Blick des Fremden zusammen und stammelte rasch:
„Edle Herren, durch Zufall geriet uns jener Fürst, der im ganzen Land gesucht wird, in die Hände, der junge Corlin. Mein Herr nahm ihn mit zur Festung und wollte ihn anschließend hierher bringen.“
„Sicher? Er hat nicht versucht, ihn für sich zu behalten oder an andere Fürstenhäuser zu verkaufen?“ Der Fremde streckte die Finger durch und tippte die Kuppen gegeneinander. Langsam. Immer wieder. Gand wie auch Inur beobachteten ihn dabei, gebannt davon, wie bedrohlich eine solch harmlose Geste wirken konnte.
„Also? Hat er es versucht?“
„Nein, ich meine, es ist ganz sicher, Herr. Er ist dem Haus Sorala treu ergeben!“, stammelte Gand erschrocken. „Aber dann ist der Gefangene verschwunden.“
„Geflohen?“
„Nein, Herr. Kirian hat ihn. Kirian ist irgendwie in die Festung eingedrungen, hat meinen Herrn getötet und mit einer List die Kerkerwächter so betrogen, dass sie ihm den Gefangenen arglos übergaben. Die Männer trifft keine Schuld, wir, also, ich habe den Vorfall genau überprüft.“
„Kirian, der Räuber? Kirian, das Gespenst?“, höhnte Inur verächtlich. „Wenn dieser Kirian wirklich an allem Schuld wäre, was man ihm mittlerweile zur Last legt, müsste er an zehn Orten zugleich losschlagen können.“
„Er war es, das schwöre ich! Mein Herr hat noch im Sterben den Namen des Unholds mit seinem eigenen Blut auf den Boden zu schreiben versucht, bis der Tod ihn erlöste. Und seine junge Geliebte befand sich mit im Schlafgemach. Kirian hat sie vor den Augen meines Herrn vergewaltigt und gefoltert, bis der schließlich keine Wahl hatte, als den Schlüssel für die Ketten des Gefangenen zu übergeben und einen Passierschein zu unterschreiben. Danach hat Kirian sein grausames Spiel mit meinem armen Herrn getrieben, bis er wohl die Lust verlor und ihn verblutend am Boden zurückließ. Gwenna legte er einen Strick um den Hals und ließ sie gefesselt zurück, dergestalt, dass sie auf Zehenspitzen stehend balancieren musste, um sich nicht zu erwürgen. Wie die arme Frau die Nacht überlebt hat, ist ein Rätsel! Es dauerte Stunden, bis sie die ganze Geschichte erzählen konnte.“ Gand schaffte es, all diese Lügen vorzubringen, ohne mit der Wimper zu zucken. Er hatte es in den letzten zwei Tagen so oft mit seinen Untergebenen durchgesprochen, dass er schon fast selbst daran glaubte, es wäre genau so geschehen – er wollte keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass die Wachsoldaten in irgendeiner Weise versagt hatten, und es fügte sich doch so auch viel besser in das Bild von Kirian ein!
Der Graf blickte zu seinem Gast hinüber, der nachdenklich schien und schließlich nickte.
„Ja, das klingt glaubhaft. Brutal, hinterlistig, aber zielbewusst, das passt.“ Er fluchte laut. „Wenn Kirian ihn in den Fängen hat, wird der Junge nicht lange überleben.“
„Was sollen wir jetzt tun, Herr?“, flüsterte
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