Eisiges Feuer (German Edition)
Folge. Kirian war größer, dafür besaß Roban die längere und bessere Klinge.
„Ich wollte mich früher immer mit dir messen. Deine Kampfkunst galt als legendär, Stefár. Aber jetzt bist du nur noch ein dreckiger Räuber, nicht wahr?“
Kirian duckte sich unter einem mörderischen Schlag gegen seinen Kopf. Ein hoher Tritt von ihm zwang Roban zurück.
„Egal, in welchem Dreck ich mich suhle, Corlin, ich habe meine Ehre stets gewahrt. Du hingegen bist ein feiger Mörder!“
Aufschreiend hieb Roban auf ihn ein, so rasch, dass Kirian sich nur noch verteidigen konnte. Er stöhnte, als die Schwertklinge in seine linke Schulter fuhr, riss den Säbel gerade noch rechtzeitig hoch, um sein Herz zu schützen.
Unbemerkt von den beiden setzte Lys sich langsam auf und beobachtete den wilden Kampf. Sein Kiefer schmerzte, und er war noch ein wenig benommen von dem Fausthieb und dem Aufprall gegen Wand und Boden. Kirians geflüsterter Befehl, sich nicht mehr zu rühren, egal, was geschehen würde, hatte den gewünschten Nutzen gebracht: Roban kämpfte voller Wut statt mit dem Kopf. Leider war Robans Wut so vernichtend wie ein Steppenbrand …
Lys starrte auf die beiden Männer. Egal, wie dieser Tag enden würde, er würde Verlust und Trauer für ihn bedeuten. Aber welcher Verlust wäre leichter zu ertragen? Sein Bruder, den er aus tiefster Seele liebte, gleichgültig, was der ihm angetan hatte? Oder den Mann, dem sein Herz gehörte?
Kirian schrie ein weiteres Mal auf, diesmal streifte die Klinge über Brust und linken Oberarm. Lys spürte den Schmerz, als wäre er selbst getroffen, und taumelte auf die Füße. Lieber den eigenen Bruder aus der Seele reißen, als Kirian zu verlieren! Er griff nach seinem Schwert und seinem Dolch, gerade in dem Moment, als Roban seinen Gegner zu Fall brachte.
„Jetzt ist Schluss mit dir, Geächteter!“, spie er aus. Lys fing die Klinge seines Bruders ab. Er war jetzt ruhig, innen wie äußerlich.
„Du – du bist nicht tot?“, stammelte Roban verwirrt.
Schweigend griff Lys an, mit berechnenden, vollständig beherrschten Schlägen.
„Du kannst nicht gegen mich kämpfen, du bist mein Bruder!“
„Ich habe mich entschieden. Wenn ich zwischen dir und Kirian wählen muss, wähle ich die Liebe, nicht die Familie.“
„Du kannst nicht gegen mich kämpfen“, wiederholte Roban geduldig. Es bereitete ihm nicht die geringste Mühe, Lys’ Attacken zu parieren. „Ich kenne jede einzelne deiner Bewegungen, seit du alt genug warst, einen Stock in die Hand zu nehmen. Du hast mich noch kein einziges Mal besiegen können.“
Lys wich einem Streich aus, der ihm beinahe den Hals aufgeschlitzt hätte, ohne sich davon aus der Ruhe bringen zu lassen.
„Komm schon, hör auf! Gib dich geschlagen. Bleib mit deinem Sohn noch ein wenig untergetaucht, bis die Namensrechte geklärt sind, dann lasse ich dich und Elyne laufen und erlöse den Bastard da, ohne ihn anzuklagen. Du wirst nicht zusehen müssen, wie man ihn foltert und als Verbrecher hinrichtet. Gib auf! Du kannst nicht gewinnen.“
„Du vergisst eines“, keuchte Lys angestrengt, parierte einen weiteren Hieb im allerletzten Augenblick. Er wusste selbst, wenn Roban gewollt hätte, wäre er längst tot. „Auch ich kenne jede deiner Bewegungen, seit ich das erste Mal einen Stock anheben konnte. Ich kenne deine Stärken, Roban.“ Er ließ die Waffe fallen, duckte sich unter dem feindlichen Schwert, wirbelte herum und stand plötzlich nur noch einen Fingerbreit von Roban entfernt. Er umarmte ihn, riss das Knie hoch und rammte es zwischen die Beine seines Bruders, der sofort stöhnend zu Boden ging, vollkommen überrascht von dieser so leichtsinnigen wie ehrlosen Attacke. Lys warf sich über ihn und rammte seinen Dolch in Robans Brust. „Ich kenne aber auch deine Schwächen. Du glaubst fest daran, dass ein Corlin lieber stirbt, als unehrenhaft zu kämpfen. Das ist ein Irrtum.“ Er umklammerte Robans Hände, die im letzten Reflex eines Sterbenden noch zuckten, und brach weinend über ihm zusammen. Kirian kam zu ihm, hielt ihn fest. Ihm war bewusst, dass er Lys in diesem Moment nicht helfen konnte, aber er würde ihn nicht allein lassen. Nie wieder.
Dorian öffnete zögernd die Tür. Er hatte das Geschrei der Corlinbrüder gehört, auch wenn er kein einziges Wort verstanden hatte. Das Klirren der Waffen hatte alle Soldaten beunruhigt, doch Dorian hatte sie zurückhalten können. Es war besser, wenn die hohen Herren dies unter sich ausfochten.
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