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Eisiges Herz

Eisiges Herz

Titel: Eisiges Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Familien zerstören.«
    Mit gesenkten Köpfen und verschränkten Armen standen sie vor den Fotos wie Kriegsstrategen über den Bildern von ausgebombten Städten und rauchenden Ruinen. Es wareninzwischen so viele Fotos, dass sie fast den gesamten Konferenztisch bedeckten.
    »Wenn Leute umziehen, nehmen sie ihre Möbel mit«, sagte Delorme. »Ich hoffe immer noch, irgendwann einen Stuhl, einen Tisch oder ein paar Bücher wiederzuerkennen.
Irgendetwas

    »Er hat ziemlich penibel darauf geachtet, nichts zu fotografieren, was sich identifizieren ließe.«
    »Ja. Am liebsten macht er Nahaufnahmen.«
    »Was ist mit dem Sofa auf diesem Bild hier?« Cardinal hielt ein Foto hoch, auf dem das Mädchen auf einem zweisitzigen Sofa schlief. Es war mit rotem Velours bezogen und hatte einen interessanten Holzrahmen.
    »Nein. So ein Sofa hätte ich garantiert sofort wiedererkannt.«
    »Und das hier?« Cardinal nahm ein Foto vom Tisch, auf dem ein Bein und eine Ecke eines Beistelltischs in modernem schwedischem Design abgebildet waren. »Dieser Tisch ist doch ziemlich markant.«
    Delorme betrachtete das Foto und schüttelte den Kopf. »Die Ferriers hatten einen viel größeren Beistelltisch, und der war aus dunklerem Holz. Und bei den Rowleys war alles in einer Art Blockhüttenstil eingerichtet. Dieser Rowley ist so ein richtiger Müslityp.«
    »Auf dem hier ist ein offener Kamin zu sehen«, sagte Cardinal und zeigte ihr ein weiteres Foto.
    Delorme zuckte mit den Schultern. »Ich hab überhaupt keinen offenen Kamin gesehen. Und, wie du selber sagtest, wahrscheinlich sind die Leute längst umgezogen und wohnen jetzt in einem Haus ohne offenen Kamin.«
    »Ja, aber vielleicht haben sie das Kaminbesteck noch. Den Schürhaken und die Schaufel aus Messing.«
    »So was hab ich auch nirgendwo gesehen.«
    »Ich wünschte, ich wäre mit dir in den Häusern gewesen. Vier Augen sehen mehr als zwei, und wir hätten uns aufteilen können – einer von uns hätte aufs Klo gehen können, während der andere sich in der Küche umsieht.«
    Delorme reagierte nicht. Sie stand, das Kinn in die Hand gestützt, grübelnd vor dem Tisch. Sie nahm ein Foto auf, legte es wieder ab. Nahm es noch einmal. Cardinal und Delorme waren keine ständigen Partner – bei der Polizei in Algonquin Bay gab es kein Partnersystem, sondern jeder wurde je nach Bedarf einem Fall zugeordnet –, aber er hatte oft genug mit ihr zusammengearbeitet und wusste, wann hinter ihren ernsten braunen Augen eine Idee Gestalt anzunehmen begann. Dann wurde sie jedes Mal ganz still und nahm um sich herum nichts mehr wahr.
    Schließlich hob sie ein zweites Foto auf und hielt die beiden Aufnahmen nebeneinander. »Sieh dir das an«, sagte sie.
    Cardinal legte das Foto von dem Boot weg, das er gerade betrachtet hatte, und trat neben Delorme.
    »Frank Rowley hat so einen Teppich«, sagte sie. »Irgendeinen Navajo-Webteppich oder so was.«
    »Tja, ich bin kein Teppichexperte. Ich hab keine Ahnung, ob das ein teures Stück ist, von dem jemand sich nicht so leicht trennt.«
    »Ich finde, er sieht ziemlich teuer aus. Überhaupt sind mir in seinem Haus die Farben aufgefallen. Kräftige Schwarz- und Blautöne. Alles in dem Haus ist aus Holz, und dieser Teppich kam wunderbar zur Geltung. Aber ich glaube nicht, dass es derselbe Teppich ist.«
    »Warum denn nicht? Bloß weil dir der Typ sympathisch war?«
    »Nein, sein Teppich hatte eine Flickstelle. Ich erinnere mich daran, weil ich darüber gestolpert bin. Es war eine Zickzacklinie, die sich wie eine Narbe durch das Muster zog.«
    Cardinal ließ seinen Blick über die Fotos auf dem Tisch schweifen, in der Hoffnung, eines darunter zu finden, auf dem der Teppich zu sehen war. Dann entdeckte er eins. Die Vergewaltigungsszene auf dem Bild war so drastisch, dass man die Ecke des Teppichs leicht übersehen konnte. Er nahm das Foto vom Tisch.
    »Eine Zickzacklinie wie diese hier?«

41
     
    W endy Merritt stellte die letzten Teller in die Spülmaschine, füllte das kleine Fach mit Spülmittel und schlug die Tür zu. Die Zeitschaltuhr war so eingestellt, dass die Maschine sich um Mitternacht einschalten würde. Sie war ziemlich laut, aber nach vierundzwanzig Uhr war der Strom am billigsten. Sie achtete peinlich darauf, möglichst wenig Strom zu verbrauchen, vor allem, seit sie mit Frank zusammenlebte.
    Was für ein Riesenschritt das gewesen war, noch dazu nur anderthalb Jahre nach dem Tod ihres ersten Mannes. Er war nach einem Marathonlauf in Toronto an einem

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