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Eisiges Herz

Eisiges Herz

Titel: Eisiges Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Fenster heruntergekurbelt, die Tüte entgegengenommen, Danke gesagt. Das Ganze hatte weniger als eine Minute gedauert, und sie hätte keinen weiteren Gedanken daran verschwendet, wenn sie sich nicht ein zweites Mal begegnet wären.
    Diesmal war er tatsächlich der weiße Ritter gewesen.
    Wendy war mit Tara in einem Boot auf den Trout Lake hinausgefahren. Sie hatte sich am Jachthafen ein kleines Motorboot gemietet, mit einem gerade mal 15 PS starken Motor. Den ganzen Tag lang waren sie unterwegs gewesen und um die winzigen Inseln in der Nähe der Four Mile Bay herumgeknattert. Schließlich hatte Wendy das Boot an einem kleinen Sandstrand an Land gezogen, und sie und Tara hatten Indianer gespielt. Eigentlich war es nur ein Versteckspiel gewesen, aber sie hatten gar kein Ende gefunden, und Wendy hatte nicht bemerkt, wie sich ein Gewitter zusammenbraute.
    Sie waren erst wenige hundert Meter von der Insel entfernt gewesen, als der Motor den Geist aufgegeben hatte. Wendy hatte versucht, ihn wieder anzuwerfen, bis ihr fast der Arm abgefallen war, doch dann hatte sie einen Riss in der Benzinleitung entdeckt, was bedeutete, dass nur noch Rudern half.
    Aber die Ruder waren schwer und unhandlich gewesen, und schon bald hatten ihr die Hände wehgetan. Es gelang ihr einfach nicht, das Boot schnell genug zu bewegen. Mittlerweile waren schwarze Wolken aufgezogen, und Blitze zuckten über den Bergen. Als Wendy sich mit aller Kraft in die Riemen legte, fiel sie rückwärts über Bord, beide Ruder lösten sich aus ihren Halterungen und landeten ebenfalls im Wasser. Mit den Händen paddelnd versuchten sie und Tara, die Ruder wiederzuerlangen, aber Taras Bemühungen waren keine große Hilfe, und Wendy bekam es mit der Angst zu tun. Innerhalb weniger Minuten hatte der Wind sie weit vom Ufer abgetrieben, es waren kaum Häuser zu sehen, und außer ihnen war keine Menschenseele auf dem Wasser. Alle anderen waren klug genug gewesen, rechtzeitig an Land zu gehen.
    Sie hörte es, bevor sie es sah. Ein lautes Dröhnen, das immer näher kam. Als sie aufblickte, war nichts zu sehen als eindräuendes Gewirr von grauen und violetten Wolken. Dann war das Flugzeug mit einem ohrenbetäubenden Lärm durch die Wolken gebrochen und über sie hinweggeflogen. Es verschwand in Richtung Norden zwischen zwei Inseln, und Wendy betete, dass der Pilot die Schiffbrüchigen melden und dass jemand vom Segelhafen kommen und sie retten würde. Als es ihr endlich gelungen war, die Ruder aus dem Wasser zu ziehen und wieder in ihren Halterungen zu befestigen, hatte es angefangen zu regnen – dicke Tropfen so groß wie Glasmurmeln.
    »Super!«, rief Tara immer wieder. »Ich hab nicht mal Angst, Mama! Hörst du, Mama, ich hab nicht mal Angst!«
    »Das ist gut so, mein Schatz«, hatte Wendy gesagt, obwohl sie fand, dass durchaus Grund zur Angst bestand. Sie waren bis auf die Haut durchnässt, das Gewitter kam immer näher, und in ihrem Aluminiumboot waren sie der höchste Punkt auf dem See.
    An ihren Händen hatten sich mittlerweile Blasen gebildet, als sie erneut einen Motor hörten, diesmal nicht ganz so laut.
    Sie näherten sich allmählich der großen Bucht, als sie das Wasserflugzeug auf sich zukommen sahen, dessen Kufen beim Aufsetzen weiße Gischt aufsprühen ließen. Mit dröhnenden Propellern näherte es sich ihnen bis auf knapp zwanzig Meter, drehte sich auf einer Kufe, dann öffnete sich eine Seitentür, und ein Mann lehnte sich heraus.
    »Das Gewitter wird gleich hier sein, und das wird kein Vergnügen. Am besten, ich schleppe Sie in den Hafen. Einverstanden?«
    Er warf ihnen ein Seil zu, das Wendy an einem Metallring am Bug ihres Boots befestigte. Sie waren kaum sieben Meter voneinander entfernt, und sie spürte, wie Frank sie anstarrte.
    »Kennen wir uns nicht?«, fragte er. »Sind wir uns nicht schon mal irgendwo begegnet?«
    »Kann sein. Wir leben schließlich in einer kleinen Stadt.«
    Plötzlich schnippte er mit den Fingern. »Der Supermarkt. Sie haben vor mir an der Kasse gestanden und Ihre Tüte stehenlassen.«
    »Ja, genau«, rief Tara. »Sie haben uns unsere Einkaufstüte gebracht.«
    »Stimmt«, sagte Frank. »Ich kann mich gut an dich erinnern. Kann’s losgehen?«
    »Klar!«, rief Tara. »Ziehen Sie uns durch die Luft?«
    »Nein, ich fahre mit den Kufen übers Wasser.«
    »Och.« Tara ließ sich enttäuscht auf die Bank fallen. Ihr regennasses Haar klebte ihr am Kopf.
    »Fertig«, sagte Wendy.
    Frank schlug die Tür zu, die Propeller drehten sich,

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