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Eisiges Herz

Eisiges Herz

Titel: Eisiges Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Straßenrand und betrachtete die dunklen Gauben, die sich gegen den rosa schimmernden Abendhimmel abhoben. Der silberne BMW in der Einfahrt ließ darauf schließen, dass Bell zu Hause war, aber es war keine Garantie.
    Obwohl er notfalls in der Lage war, Gewalt anzuwenden, neigte Cardinal nicht zu Gewalttätigkeit. Egal, wie wütend er auf die Ganoven und Schurken war, die er verhaften musste, es gelang ihm immer, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten und rational und kühl zu handeln. Doch während er jetzt in seinem Wagen saß und Bells Haus anstarrte, musste er alles an Selbstbeherrschung aufbringen, um nicht hineinzustürmen und Bell kurzerhand zu Hackfleisch zu verarbeiten. Schließlich legte er einen Gang ein und fuhr durch den dichten Abendverkehr zu dem einen Ort, den er nie wieder hatte betreten wollen.
    Als er bei CompuClinic eintraf, wurde der Laden gerade geschlossen. Eine Frau kam mit einem Armvoll in Plastik folie verpackter Kleidungsstücke aus der Reinigung und stieg in ein Auto. Cardinal parkte und ging auf die Rückseite des Gebäudes. Er wusste, dass er einen Fehler machte, dass er noch nicht so weit war – er spürte es am Zittern in seinen Händen und daran, dass sich ihm die Kehle zuschnürte.
    Catherines Blut war weggewischt worden. Das Absperrband, mit dem seine Kollegen den Tatort gesichert hatten, war verschwunden, und sämtliche Computerteile waren eingesammelt worden. Nichts deutete mehr darauf hin, dass hier ein Leben geendet hatte. Er ging weiter und suchte nacheinem Eingang. Wie bei den meisten Gebäuden, an denen noch gearbeitet wurde, waren auch hier die Sicherheitsvorkehrungen nicht so streng. Es gab zwei Notausgänge, die jetzt zwar verschlossen waren, die jedoch ein nachlässiger Arbeiter oder ein achtloser Raucher hätte offen stehen lassen können – auf Baustellen waren die Alarmanlagen fast immer ausgeschaltet. Die unverglasten Fronten der leeren Geschäftsräume waren mit Brettern vernagelt, aber einige davon ließen sich mit einem Handgriff lösen. Cardinal brauchte nur zehn Sekunden, um eine Öffnung zu schaffen, durch die er hineinklettern konnte.
    Durch eine Glastür an der hinteren Wand fiel genug Licht, um etwas sehen zu können. Der rechteckige Raum bestand aus nackten Betonwänden, aus denen jede Menge Kabel ragten. An einer Wand waren Vierkanthölzer gestapelt, und es roch nach Beton und rohem Holz.
    Die Tür führte in einen von Neonröhren erleuchteten Korridor, an dessen Ende eine weitere Tür mit der Aufschrift »Treppenhaus« in den Keller führte. Daneben befand sich ein Lastenaufzug, der leer war und offen stand. Cardinal zog sich Lederhandschuhe an, dann stieg er in den Aufzug und drückte auf den Knopf für das Dach. In weniger als zwei Minuten war er, ohne gesehen zu werden, aufs Dach gelangt, genau wie der Mörder es getan haben konnte. Die Tür zur Dachterrasse war jetzt verriegelt, aber gleich daneben lag ein Backstein, der zweifellos dazu diente, sie offen zu halten. Wahrscheinlich eins der letzten Dinge, die Catherine auf dieser Welt berührt hatte.
    Cardinal fuhr mit dem Personenaufzug zurück nach unten und verließ das Gebäude durch den Vorderausgang. Auf dem Parkplatz blieb er einen Augenblick lang stehen und betrachtete die Stelle, wo Catherine gelegen hatte. Würde er dieses Bild bis an sein Lebensende mit sich herumtragen? Das Bildvon ihrer braunen Jacke, ihrem blutigen Gesicht, der zerschellten Kamera?
    Auf dem Heimweg versuchte er, das Bild durch ein anderes zu ersetzen. Natürlich fielen ihm Tausende von Situationen mit Catherine ein, aber es gelang ihm nicht, eine davon lange genug vor seinem geistigen Auge festzuhalten, um das Schreckensbild auf dem Parkplatz zu verscheuchen. Das einzige Bild, das er länger als den Bruchteil einer Sekunde vor sich sah, war das Foto von ihr mit den beiden Kameras über der Schulter, auf dem sie leicht ärgerlich dreinblickte.
    Zwei Kameras.
    Wenn dieses Foto nicht gewesen wäre, wenn er sich nicht daran erinnert hätte, wäre Cardinal wahrscheinlich noch monatelang nicht in Catherines Dunkelkammer hinuntergegangen. Er wollte nicht zwischen Becken und Entwicklerschalen und Filmstreifen herumgeistern wie ein Gespenst. Die Dunkelkammer auszuräumen kam nicht in Frage. Sie musste genau so bleiben, wie Catherine sie hinterlassen hatte. Sonst würde sie sich aufregen. Sonst würde sie nicht arbeiten können.
    Wenn sie zurückkam.
    Obwohl er ihre Leiche in den Armen gehalten hatte, obwohl sie seit Wochen fort

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