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Eisiges Herz

Eisiges Herz

Titel: Eisiges Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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tun. Als Psychiater wusste er genau, warum das so war, aber die Erkenntnis änderte nichts an der Tatsache. Das war das kleine, schmutzige Geheimnis der Psychiatrie: Man konnte seine eigene Neurose, seine eigene Zwanghaftigkeit und seine eigenen Fetische durchschauen, ihren Ursprung erkennen, ohne dass es einem half, sich davon zu befreien.
    Die eigentliche Befriedigung bestand darin, diese Heulsusen dazu zu bringen, dass sie sich selbst entsorgten. Damit war der Welt ein großer Dienst erwiesen, und er, Dr. Bell, hatte kein Verbrechen begangen. In dieser Hinsicht war Catherine Cardinal ein kompletter Fehlschlag gewesen. Bei ihr hatte er heroische Maßnahmen ergreifen müssen, und seitdem war er einfach nicht mehr derselbe. Es war das erste Mal gewesen, dass er tatsächlich einen Menschen getötet hatte, und das bedeutete Wahnsinn, Gefängnis und Tod, darüber war er sich im Klaren.
    Er betrachtete sich selbst nicht als gewalttätigen Menschen, aber Catherine Cardinal hatte ihn dorthin getrieben. All das Gefasel über Liebe und Kunst als rettende Antriebskräfte ihres Lebens. Was für ein Leben? Monatelange Klinikaufenthalte jedes zweite Jahr? Dauerbehandlung mit Lithium? Wiesokonnte sie nicht
einsehen
, dass der Tod die beste Lösung für sie war? Aber es würde das Spiel ruinieren, wenn er nicht länger die Geduld aufbrachte, zu warten, bis sie sich selbst umbrachten. Wenn er sich darauf verlegte, persönlich einzugreifen, würde die Polizei ihm ziemlich schnell auf die Schliche kommen. Was für ein Pech, dass sein erstes Opfer ausgerechnet die Ehefrau eines Polizisten gewesen war.
    Er hatte sorgfältig darauf geachtet, dass ihn niemand sah. Wie ein Schatten war er über den alles andere als verlassenen Parkplatz und durch die leeren Geschäftsräume gehuscht. Dann war er mit dem Lastenaufzug aufs Dach gefahren, und keine Menschenseele hatte etwas davon mitbekommen. Nachdem die Tat vollbracht war, hatte er den Abschiedsbrief hinterlegt und sorgfältig alle Spuren beseitigt.
    Bell trat an den Schrank, in dem er seine DVDs aufbewahrte. Er würde sich die letzte Sitzung mit Dorn noch einmal ansehen. Gut, sein Abgang war ein bisschen übertrieben spektakulär, aber auch unvermeidlich gewesen. Dorn, ein junger Mann, der entschlossen gewesen war, es zu nichts zu bringen, der geborene Versager und Hosenscheißer, der sich dauernd in Frauen verliebte, die sich einen Dreck für ihn interessierten. Ohne Behandlung hätte er sein Leben lang Frauen mit seiner unerwünschten Anbetung genervt und Freunde mit seinem ewigen Gejammere. Auf so einen Waschlappen konnte die Welt gut und gern verzichten.
    Als er den Schrank öffnete, sah er sofort, dass einige DVDs fehlten, mindestens ein halbes Dutzend. Sein erster Gedanke war, dass ein Patient womöglich die Kamera entdeckt und ein paar DVDs gestohlen hatte. Doch dann wurde ihm klar, dass die betreffenden Patienten – Perry Dorn, Leonard Keswick, Catherine Cardinal – alle tot waren.
    »Dorothy!« Er trat in den Flur und rief noch einmal nach ihr. »Dorothy! Wo bist du?«
    In seinen Schläfen begann es zu pochen. Der Flur schien sich zu einem engen, schwarzen Tunnel zu verjüngen. Irgendein Teil von ihm diagnostizierte Wut. Ich bin wütend, dachte er wie aus weiter Ferne: Der Tunnelblick, das Herzrasen, das Zittern in meinen Beinen sind Auswirkungen von Wut. Selbst wenn er gewollt hätte, hätte er die Wut nicht mehr unterdrücken können. Die Schwelle war überschritten, ein Hochgefühl überkam ihn.
    Er riss die Küchentür auf. Dorothy wollte gerade auf die Terrasse gehen, sie hatte den Türknauf bereits in der Hand. Sie drehte sich um, und ihre Augen waren zwei dunkle kleine, von Angst erfüllte Löcher. Munchs Augen.
Tote Mutter und Kind
.
    »Ich glaube, du hast etwas, das mir gehört«, sagte Bell. Seine Worte pulsierten, als hätten sie ein Eigenleben.
    Dorothy umklammerte den Türknauf. »Du begehst schreckliches Unrecht«, sagte sie ruhig. »Ich habe in Manchester zu dir gestanden, als deine Patienten starben. Damals habe ich mir gesagt, wahrscheinlich hat er recht, wahrscheinlich sind seine Patienten einfach besonders schwere Fälle, er versucht, Menschen zu helfen, denen nicht mehr zu helfen ist, und am Ende sieht es so aus, als wäre es seine Schuld, wenn sie sich das Leben nehmen.«
    »Was hast du mit meinen DVDs gemacht?«, fragte Bell.

46
     
    N achdem er mit dem Staatsanwalt gesprochen hatte, fuhr Cardinal auf direktem Weg zu Bell. Er hielt am gegenüberliegenden

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