Eisiges Herz
immer gewesen waren.
»Okay, hier haben wir also die drei Sächelchen«, sagte Tommy Hunn, während er sie auf dem Labortisch ausbreitete. Im Gegensatz zu dem Gebäude hatte Tommy sich verändert, seit Cardinal ihn das letzte Mal gesehen hatte. Sein Haar war schütterer geworden, und sein Gürtel war unter einer Speckrolle verschwunden, als hätte Hunn einen schlafenden Dackel unter seinem Hemd verstaut.
»Ein Abschiedsbrief. Ein Notizblock, auf dem der Abschiedsbrief möglicherweise geschrieben wurde. Und wir haben eine gemeine Beileidskarte mit einem eingeklebten Zettel, auf den eine Botschaft gedruckt ist.«
»Vielleicht sollten wir mit der Beileidskarte anfangen«, sagte Cardinal. »Die hat wahrscheinlich mit den anderen beiden Objekten nichts zu tun.«
»Also gut, die Beileidskarte zuerst«, sagte Hunn. Er zog sich Latexhandschuhe an, nahm die Karte aus der Klarsichthülle und öffnete sie. »›Na, wie fühlt sich das an, du Arschloch?‹«, las er tonlos vor. »›Man kann einfach nie wissen, was einen erwartet.‹ Reizend.«
Er hielt die Karte zum Fenster hin, so dass das Licht darauffiel.
»Das stammt von einem Tintenstrahldrucker, das kann ich dir gleich sagen. Mit dem bloßen Auge sind keine Besonderheiten zu erkennen. Jedenfalls nicht mit meinem. Dann wollen wir mal ein bisschen Detektiv spielen.« Er klemmte sich eine Lupe vor ein Auge und hielt sich die Karte vors Gesicht. »Aha. Fehler im Druckbild in der zweiten Zeile. Sieh dir die
h
s und die
t
s an.«
Er reichte Cardinal die Lupe. Zuerst konnte Cardinal nichts erkennen, aber nachdem sein Auge sich an das Vergrößerungsglas gewöhnt hatte, entdeckte er eine feine, helle Linie, die sich durch die Oberlängen der
h
s und
t
s zog.
»Die gute Nachricht lautet, wenn ein Drucker so was macht, dann macht er es auf jeder Seite. Wie du siehst, taucht der Fehler nicht in der ersten Zeile auf. Aber wenn wir eine weitere Seite hätten, die der Typ ausgedruckt hat, dann würden wir denselben Fehler ebenfalls in der zweiten Zeile finden.«
»Und was nützt uns diese Erkenntnis?«, wollte Cardinal wissen.
»Ohne eine Vergleichsseite? Überhaupt nichts. Und die schlechte Nachricht lautet, wenn die Druckerpatrone ausgetauscht wird, verschwindet der Fehler. Wenn du mich fragst, dann würde ich sagen, der Typ hat sich wahrscheinlich einen nagelneuen Drucker zugelegt.«
Cardinal zeigte auf den Notizblock. »Und was kannst du mir dazu sagen?«
»Kommt drauf an, was du wissen willst.«
»Ich möchte wissen, ob der Brief mit demselben Stift geschrieben wurde wie alles andere auf dem Block. Und zu welchem Zeitpunkt er im Vergleich zu den anderen Eintragungen geschrieben wurde. Wenn du den Block auf der Seite aufschlägst, wo ›Johns Geburtstag‹ steht.«
»Johns Geburtstag. Ha! Vielleicht hat sie den Brief an dich gerichtet!« Hunn blätterte die Seiten durch und hielt den Notizblock ins Licht, so wie er es zuvor mit der Karte gemacht hatte. »Ah ja. Hier sind Abdrücke. Ich kann ›Lieber John‹ erkennen. Als erstes machen wir mal einen Infrarottest.«
Er hob eine breite Klapptür an einem mit
VSC 2000
beschrifteten Kasten an.
»Wirf einen Blick durch dieses Fenster da, wenn ich aufden Schalter drücke. Ich kann die beiden Schriftproben mit verschiedenen Arten von Licht beleuchten. Mal sehen, was dabei rauskommt. Für das menschliche Auge mag eine Tinte aussehen wie die andere, aber unter dem Infrarotlicht weist die Tinte Unterschiede auf, selbst wenn es sich um dieselbe Marke handelt oder wenn sie im selben Kugelschreiber verwendet wurde. Die chemische Zusammensetzung variiert von Tintenfüllung zu Tintenfüllung. Du glaubst gar nicht, wie viele gefälschte Testamente ich schon mit Hilfe dieses zauberhaften Maschinchens entlarvt habe. ›Dear John‹. Einfach begnadet.«
Cardinal beugte sich vor, um durch das Fenster zu lugen. Die Schrift auf den Seiten begann zu leuchten.
»Die beiden sind identisch«, sagte Hunn hinter ihm. »Der Abschiedsbrief wurde mit demselben Stift geschrieben wie die Geburtstagserinnerung.«
»Kannst du mir auch noch sagen, was zuerst geschrieben wurde?«
»Aber sicher doch. Zunächst stecken wir die Proben in einen Befeuchter.« Hunn legte den Notizblock in ein Gerät mit einer verglasten Frontklappe, das aussah wie ein kleiner Grillofen. »Das dauert nur ein paar Minuten. Einkerbungen lassen sich besser erkennen, wenn das Papier feucht ist.«
Das Gerät piepte, und Hunn nahm den Notizblock wieder heraus. »Jetzt zaubern
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