Eisiges Herz
nicht mit einem beigelegten Scheck zurückkamen.
Er öffnete den Umschlag, der vom Bestattungsinstitut gekommen war.
Sehr geehrter Mr. Cardinal,
wir möchten Sie unseres tiefsten Mitgefühls versichern.
Außerdem möchten wir Ihnen dafür danken, dass Sie sich vertrauensvoll an uns gewendet haben. Wir hoffen, dass wir Ihnen mit unseren Diensten in den schwersten Stunden Ihres Lebens Trost spenden konnten.
Unsere Rechnung ist beigefügt.
Bitte überweisen Sie den angegebenen Betrag, sobald es Ihnen möglich ist. Falls wir Ihnen noch weiter behilflich sein können, lassen Sie es uns wissen, wir stehen Ihnen jederzeit zur Verfügung
.
Mit Dank und tiefem Mitgefühl
.
Das Schreiben war von David Desmond unterzeichnet. Keiner der Großbuchstaben wies die geringste Spur eines Druckerfehlers auf.
»Die Frau hat doch einen Sprung in der Schüssel«, sagte Kelly zum Fernseher. »Möchte wissen, wie die es geschafft hat, Krankenschwester zu werden.«
Während der Werbepause kam sie auf dem Weg in die Küche zu Cardinal an den Tisch. »Willst du dich nicht ein bisschen zu mir vor den Fernseher setzen, Dad?«
»Gleich.«
»Es tut einfach gut zu sehen, wie Leute ihr Leben noch viel weniger im Griff haben als man selbst. Aber das erlebst du wahrscheinlich jeden Tag bei der Arbeit.«
»Allerdings.«
»Ich hole mir eine Cola light. Willst du auch eine?«
»Gern.«
Cardinal betrachtete gerade die Rechnung, die zusammen mit dem Brief vom Bestattungsinstitut gekommen war. Ein Posten war ihm besonders aufgefallen, und es war nicht der Preis, über den er sich wunderte.
Sarg – Walnuss, natur – $ 2.500.
Eine deutlich zu erkennende weiße Linie zog sich durch die zweite Zeile.
Und weiter unten:
Als Vorauszahlung erhalten – $ 3.400
.
Dieselbe Linie im
A
und im
V
.
»Der Film geht weiter«, rief Kelly aus dem Wohnzimmer. »Und deine Cola steht hier auf dem Tisch.«
Cardinal nahm die drei Beileidskarten aus seiner Aktentasche.
Lieber wollte sie sterben
… Eine Linie im
L
.
Wie sehr muss sie dich gehasst haben
. Dieselbe Linie im
W
. Er nahm sich eine Lupe und untersuchte die Großbuchstaben genauer. Es passte zusammen.
Konnte es sein, dass ein Bestattungsunternehmer es satt hatte, für all den Schmerz und das Leid, das er Tag für Tag mit ansehen musste, Mitgefühl zu empfinden? Konnten einem all die Tränen und Gebete zum Hals heraushängen? Das endlose Brüten über die Einzelheiten einer Bestattung, sich zum xten Mal anhören zu müssen, dass der oder die Verstorbene ein ganz besonderer Mensch gewesen war, ganz anders als die Leute, die man Tag für Tag beerdigte? Cardinal nahm an, dass man all das durchaus leid sein konnte, und ja, wahrscheinlich konnte man auch eines Tages durchdrehen und anfangen, gehässige Beileidskarten zu verschicken.
Aber das eigentliche Anschreiben wies keinerlei Druckerfehler auf.
Er rief David Desmond zu Hause an.
Desmond, durch und durch Profi, war auf der Stelle verbindlich. »Ah, Mr. Cardinal«, sagte er. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich habe mir gerade Ihre Rechnung angesehen.«
»Ach, das hat keine Eile, Sie haben ja bereits die Hälfte im Voraus bezahlt, und ich kann mir vorstellen, dass Sie im Moment andere Dinge im Kopf haben.«
»Ich wüsste gern, ob Sie die Rechnungen selbst erstellen.«
»Nun, wir stellen natürlich die Beträge zusammen, aber die eigentlichen Rechnungen werden von einer Abrechnungsfirma formuliert und gedruckt.«
»Diese Leute scheinen Ihnen gute Dienste zu leisten. Ich muss in diesem Jahr eine ziemlich komplizierte Steuererklärung machen und dachte, ich könnte vielleicht von Ihnen den Namen und die Adresse der Firma bekommen.«
»Selbstverständlich. Die Firma nennt sich Beckwith & Beaulne. Einen Augenblick bitte, ich habe die Visitenkarte hier irgendwo.«
»Bei wem sind Sie denn? Bei Beckwith oder bei Beaulne?«
»Weder noch. Unser Sachbearbeitet ist ein Mann namens Roger Felt.«
»Ich werd verrückt.«
»Ach? Sie kennen den Mann?«
23
R oger Felt. An Roger Felt hatte Cardinal seit mindestens fünf, sechs Jahren nicht mehr gedacht. Roger Felt hatte als Börsenmakler und Finanzberater bei Fraser & Grant gearbeitet, und zwar in deren Zweigstelle in Algonquin Bay. Er hatte in dem Ruf gestanden, ein goldenes Händchen für Wachstumsaktien zu haben.
Wie fast jeder andere Finanzberater in der Stadt hatte Felt seine Brötchen in erster Linie mit Investmentfonds verdient. Er hatte die Ersparnisse von Leuten in mehr oder weniger sichere
Weitere Kostenlose Bücher