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Eisiges Herz

Eisiges Herz

Titel: Eisiges Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Fonds investiert. In Wirtschafts- und Finanzmagazinen hatte er allerdings über die Jahre zu viel über Finanzgenies gelesen, die Riesengewinne einfuhren und sich in relativ jungen Jahren mit Segelboot, einer Villa in den Bergen und einem Haus in Südfrankreich zur Ruhe setzten. Eine Maisonettewohnung in Algonquin Bay und ein Ferienhäuschen am Mud Lake waren für einen erfolgreichen Börsenmakler einfach nicht standesgemäß.
    Und so hatte Roger Felt sich einen Plan zurechtgelegt, mit dessen Hilfe er das richtig große Geld verdienen würde. Er hatte sein eigenes Portfolio in riskanten Aktien des Testosteronmarkts angelegt und dazu auch das ihm anvertraute Kapital benutzt. Als die ersten Rückforderungen an ihn herangetragen worden waren, hatte er diese noch durch sein eigenes Geld ausgelöst.
    Dieses Geld war natürlich nicht nur für seine eigene Altersversorgung, sondern auch für die seiner Frau vorgesehen sowie für die Unterbringung seiner Schwiegermutter in einem Seniorenheim und für die Ausbildung seiner drei Kinder, die nacheinander an die Uni gingen. Kein Problem. Sobald dieAktien wieder stiegen, was zwangsläufig passieren würde, wie Felts Instinkt als Wirtschaftsexperte ihm sagte, würde er einen solchen Gewinn machen, dass er all das aus der Portokasse bezahlen konnte.
    Zahlreiche Verluste und zahlreiche Rückforderungen später befand Roger Felt sich in der unangenehmen Situation, sich eingestehen zu müssen, dass er nicht nur seine eigenen Konten, sondern auch die seiner vermögendsten Kunden geplündert hatte. In Algonquin Bay waren diese »vermögendsten« Kunden keine Millionäre. Es waren ältere Leute mit hohen Renten und abbezahlten Häusern, die noch ein bisschen was auf der hohen Kante hatten. Roger Felt war so frei, sich das Geld von den Konten dieser Leute zu »leihen«, und zwar nicht nur, um die Rückforderungen zu bedienen, sondern auch, um größere Investitionen zu tätigen mit der Absicht, wie er später vor Gericht erklärte, alles zurückzuzahlen – selbstverständlich mit Zinsen.
    Seine Träume von einem Leben im Luxus an der Côte d’Azur begannen zu verblassen, und nach einer Weile träumte er nur noch davon, das Geld zurückzuzahlen, das er unterschlagen hatte, den finanziellen Ruin seiner Familie zu verhindern und dem Gefängnis zu entgehen.
    Aber es hatte nicht sollen sein.
    Eine seiner Kundinnen, eine Mrs. Gertrude M. Lowry, wünschte ihr gesamtes Vermögen woanders anzulegen. Als sie Felts ausweichende Erklärungen satt hatte, schaltete sie die Polizei ein. Cardinal bekam den Fall, und da er kein Finanzgenie war, wurde Delorme ebenfalls auf den Fall angesetzt. Sie stand kurz vor dem Examen in Wirtschaftswissenschaften, als sie zur Polizei gegangen war, und hatte sechs Jahre lang Fälle von Wirtschaftskriminalität bearbeitet.
    Sie verhafteten Felt wegen Betrugs, Unterschlagung und Verstoßes gegen seine treuhänderischen Verpflichtungen. Erwurde aller Vergehen für schuldig erklärt. Sein Anwalt, Leonard Scofield, bat in einem eloquenten Plädoyer, das der Richter sich ungerührt anhörte, um eine milde Strafe. Nachdem alle Zeugen ihre Aussage vorgetragen hatten, konnte der Richter nicht viel für Felt tun: Männer, längst über das Rentenalter hinaus, die gezwungen waren, wieder arbeiten zu gehen, junge Leute, deren Traum vom eigenen Haus sich in Luft aufgelöst hatte, wütende Paare, die ihre Eigenheime verloren hatten, und ängstliche alte Frauen, die sich als Putzfrauen verdingen mussten, um über die Runden zu kommen. Roger Felt wurde zu acht Jahren Gefängnis verurteilt und nach fünf Jahren auf Bewährung entlassen.
    Cardinal fuhr zu der Adresse, die Desmond ihm gegeben hatte. Felt wohnte über einem Stoffladen auf der Sumner Street. Um zur Eingangstür zu gelangen, musste sich Cardinal durch einen Gang zwischen den Häusern quetschen, der so eng war, dass er nur seitwärts hindurchpasste.
    Die Tür war im Lauf der Jahre von verschiedenen Graffiti-Künstlern dekoriert worden, die sich gegenseitig an Phantasielosigkeit überboten hatten: Der letzte hatte sich in riesigen, himbeerroten Buchstaben mit den Worten
I Love You
verewigt. Cardinal klingelte und betrachtete den Müll, der in dem Gässchen herumlag: zerdrückte Coladosen, zerknüllte Papierservietten und sogar ein aufgeweichter, riemenloser Sportschuh. Ein krasser Gegensatz zu der Villa am See, die Roger Felt besessen hatte, als Cardinal und Delorme gekommen waren, um ihn festzunehmen. Damals hatte er mit

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