Eisiges Herz
einem Glas Cola mit Rum in einer Hängematte gelegen.
Eine Stimme krächzte aus der Gegensprechanlage. »Wer ist da?«
»Paketdienst.«
»Moment, ich komme.« Schwere Schritte auf der Treppe, dann wurde die Tür geöffnet.
Roger Felts Erscheinungsbild hatte sich im Gefängnis nicht verbessert. Er war schon immer ein bulliger, eher schwerfälliger Typ gewesen, aber teure Anzüge und regelmäßiges Squash-Spielen hatten ihm zu einer gewissen Eleganz verholfen. Jetzt jedoch wirkte er wie ein fetter Troll. Sein Hemd sah aus, als wäre es seit Jahrzehnten nicht mehr gebügelt worden, und unter den Armen zeigten sich Schweißringe. Er stank nach Zigarettenrauch und atmete keuchend.
»Kommen Sie von Alma’s?«, fragte Felt. »Ich hab eigentlich nichts bestellt.«
Cardinal hielt seinen Ausweis hoch. »Überraschung!«
Felt beäugte ihn durch seine dicken Brillengläser. »O nein.«
Cardinal stieß die Tür auf. »Mr. Felt, wir haben Grund zu der Annahme, dass Sie gegen Ihre Bewährungsauflagen verstoßen haben. Ich möchte mich mal in Ihrer Wohnung umsehen.«
»Zeigen Sie mir erst den Durchsuchungsbefehl.«
»Mr. Felt, Sie sind ein auf Bewährung entlassener Krimineller, und es besteht der Verdacht, dass Sie gegen die Auflagen verstoßen haben. Ich brauche keinen Durchsuchungsbeschluss.«
Cardinal schob sich an ihm vorbei und ging die düstere Treppe hoch. Durch die Tür am Ende der Treppe gelangte man in eine vollgestopfte Küche, die von einem dieser Neonringe beleuchtet wurde, wie sie von geizigen Vermietern bevorzugt wurden. In einem Aschenbecher auf dem Tisch qualmte eine Zigarette vor sich hin. Daneben standen eine Rechenmaschine, ein Stapel Akten, ein ziemlich zerbeulter Laptop und ein Drucker.
Cardinal zog eine bedruckte Seite aus der Ablage.
Es war eine Rechnung von Beckwith & Beaulne, adressiert an Nautilus Marine Storage and Repair. Eine haarfeine weiße Linie zog sich durch die Oberlängen der zweiten Zeile. Normalerweiseblieb Cardinal gelassen, wenn er jemanden verhaftete. Aber als Roger Felt in die Küche geschnauft kam, packte ihn die Wut. Es gelang ihm jedoch, seine Wut vorerst zu unterdrücken. Er zeigte auf die Rechenmaschine, die Akten und die Zahlenreihen auf dem Laptopbildschirm.
»Ihre Bewährungsauflagen besagen, dass Sie nicht im Finanzsektor arbeiten dürfen. Offensichtlich betätigen Sie sich als Steuerberater. Kann ich Mr. Beckwith kurz sprechen?«
»Der ist nicht hier.«
»Und Mr. Beaulne?«
»Der ist im Moment nicht zu sprechen.«
»Beaulne und Beckwith sind Ausgeburten Ihrer Phantasie, stimmt’s?«
»Es ist nur ein Name. Es klang einfach gut.«
»Sie betreiben eine Scheinfirma, Mr. Felt. Die Sie gegründet haben, um Ihre Mitbürger mal wieder hinters Licht zu führen.«
»Ich brauche Kunden. Der Name klang gut. Sie können nicht von mir erwarten, dass ich von einem Job in einem Schnellimbiss lebe.«
»Bei Ihrer Vorgeschichte in Sachen Betrug und Verstoß gegen treuhänderische Verpflichtungen wird der Richter sich sehr für die fiktiven Herren Beaulne und Beckwith interessieren.«
»Bitte, tun Sie das nicht. Ich will nicht wieder ins Gefängnis.«
»Ziehen Sie Ihre Schuhe an, Mr. Felt. Denn genau da werden wir hinfahren.«
24
A uf dem Revier wurden Roger Felts Personalien festgestellt, und nachdem man ihm gestattet hatte, seinen Anwalt anzurufen, wurde er in einer Arrestzelle untergebracht. Cardinal informierte den Staatsanwalt und den Bewährungshelfer. Dann schrieb er seinen Bericht, erledigte noch einigen Papierkram und trug die Kartons mit den Beweismitteln, die er aus Felts Wohnung mitgenommen hatte, ins Sitzungszimmer.
Das Sitzungszimmer war der ruhigste und am seriösesten eingerichtete Raum im Revier. Der lange Eichentisch und die schweren Stühle verliehen ihm den Anstrich des Konferenzsaals einer kleinen, aber florierenden Firma. Cardinal öffnete den ersten Karton und nahm die Rechenmaschine, den Laptop und den Drucker heraus. Dem zweiten Karton entnahm er die Aktenordner und das Briefpapier.
Sergeant Mary Flower betrat den Raum. Mary war gerade mal einssechzig groß, hatte aber ein Kreuz wie eine Ringerin und eine tiefe, kräftige Stimme. Sie war den uniformierten Polizisten eine fürsorgliche Chefin, aber wenn sie einen ihrer Schützlinge im Verdacht hatte, seine Pflichten zu vernachlässigen, konnte sie eine Strafpredigt halten, dass die Wände wackelten. Sie war jahrelang in John Cardinal verknallt gewesen, was dieser mehr als einmal ausgenutzt
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