Eiskalt in Nippes
er sie. Er nahm dabei ihr Gesicht zwischen seine beiden Hände und blickte ihr mit starrem Blick direkt in die Augen
„Ich werde jetzt den Knebel herausnehmen, aber ich rate dir, nicht zu schreien. Denn wenn du doch schreist, wird es dir leid tun. Dich kann hier mit Sicherheit sowieso keiner hören. Also lass es gleich, sonst sorge ich dafür, dass du nie mehr einen Laut von dir geben kannst. Klar?“
Ursula Meierbrink nickte und sagte keinen Mucks, als Blecher den Knebel entfernte. Seine Drohung war unmissverständlich, und im Moment konnte sie sowieso nichts ausrichten. Sie hustete und schnappte heftig nach Luft.
„Kann ich bitte etwas zu Trinken haben, Herr Blecher?“
Sie benutzte seinen Namen, weil sie mal gelesen hatte, dass es angeblich hilfreich wäre, wenn man zu seinem Entführer einen persönlichen Kontakt aufbaute. Ursula Meierbrink wollte Zeit gewinnen, aber ihr war auch bewusst, dass sie niemandem von ihrem Besuch bei Blecher erzählt hatte. Warum auch?
Blecher ergriff den Schlauch, mit dem er sonst den Wasserstand der Heizung regulierte. Er drehte den Hahn leicht auf und hielt ihr den Wasserstrahl ins Gesicht. Ursula Meierbrink versuchte, ein paar Schluck Wasser zu trinken. Sie verschluckte sich und bekam einen Hustenanfall.
„Vielen Dank“, presste sie mühsam hervor.
„Warum bist du hergekommen?“, wollte Blecher wissen.
„Meine Mutter ist tot, und ich wollte einfach nur mit jemandem reden, der sie gekannt hatte und mir vielleicht weiterhelfen kann. Mir war wieder eingefallen, dass sie mal bei Ihnen in der Firma gearbeitet hatte“, erklärte sie.
„Tja, Mädchen, wenn du wüsstest, wie richtig du hier bist. Weißt du eigentlich, wie zerbeult mein Wagen ist? Dieser verdammte Rollator deiner Mutter ist Schuld daran“, beschwerte er sich regelrecht, um aber innerlich zu triumphieren, als er wieder vor Augen hatte, wie die alte Frau durch die Luft gewirbelt wurde.
Ursula Meierbrink liefen Tränen über die Wangen: „Warum, warum meine Mutter?“ Sie hatte längst verstanden, dass sie ihrem Mörder gegenübersaß, dem sie nun auch hilflos ausgeliefert war.
„Die war schon immer eine Quasselstrippe“, erzählte er hasserfüllt. „Und dann ruft sie ausgerechnet mich an und plappert mir auf den Anrufbeantworter, dass sie zur Polizei gehen will. Sie habe meinen Bruder auf einem Plakat gesehen. Die Polizei wisse nicht, wer die Leiche ist. Ist doch nicht meine Schuld, was mischt die sich auch in Dinge ein, die sie nichts angehen. Sie hätte einfach einmal im Leben ihre Schnauze halten sollen.“
Er machte auf Ursula Meierbrink einen aggressiven Eindruck.
„Bitte sagen Sie mir, was passiert ist, ich erzähl’ es auch keinem“, flehte sie ihn an.
Er schaute sie mit einem hämischen Grinsen an: „Da bin ich sicher. Aber warum nicht. Noch nie konnte ich jemandem davon erzählen.“
Blecher schilderte, dass er vor über 30 Jahren seinen Halbbruder Uwe wegen der Verwertung des Sensortechnikpatents mit einem Zimmermannshammer erschlagen hatte und ihn dann in der Tiefkühltruhe im Keller verschwinden ließ. Die Mieter hätten damals die Kellerräume sowieso nicht genutzt, und so hatte er die Truhe unter die Kellertreppe geschoben und sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion eingemauert. Das Stromkabel klemmte er an den Hausstrom an, niemand hatte je etwas bemerkt.
„Warum?“, war das einzige Wort, was Ursula Meierbrink bei seinen Worten überhaupt noch über die Lippen kam.
Blecher starrte für einen Moment mit stierem Blick ins Leere: „Warum?“ Er beugte sich zu ihr herunter und redete hektisch. Ursula Meierbrink roch Angst und die Ausdünstung eines gestressten Magens.Auf sein Opfer wirkte er wie ein tollwütiges Tier mit Schaum vor dem Maul.
„Ich habe meinen Bruder gehasst, weil mein Vater ihn sein ganzes Leben lang immer bevorzugt hat. „Mein Lieblingssohn“ hat er ihn immer genannt, dabei bin nur ich sein Sohn und nicht dieser Bastard.“ Seine Stimme war kurz davor zu kippen.
„Außerdem wollte er ihm alles vererben, und ich sollte mich mit meinem Pflichtteil begnügen. Da habe ich eben die Erbfolge geringfügig geändert“, kamen diese Worte jetzt eiskalt über seine Lippen.
„Aber das Beste war, dass er nun endlich weg war und ich freie Bahn hatte. In der Firma und bei meinem Vater. Plötzlich wendete sich alles zum Guten. Mein Vater achtete mich, und ich wurde Chef der Firma. Alle hörten auf mich. Ich stand nun ganz oben. Ich habe Uwe dann offiziell ausreisen
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