Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
Schulter zurück und sah ihn immer noch reglos auf der Stelle stehen.
»Das hier ist Ihr Büro«, sagte sie, und ihre Augen blickten wieder nüchtern. Die Veränderung kam so abrupt und unvermittelt wie der traurige Stich in seinem Herzen. Ihre Stimme sagte: »Ihr Büro.« Ihre Augen sagten, dass der Raum auf ewig Eli Bradford gehöre. Sie hatte den alten Professor geliebt, so viel stand fest.
Max griff nach seinem Stock und folgte ihr in das holzgetäfelte Büro mit den Unmengen von Bücherregalen. Ein weinroter Plüschteppich bedeckte den Boden und bildete einen schönen Kontrast zu dem Holz. Mit dem Hauch von Zitronenduft der Möbelpolitur mischte sich der angenehme Geruch alter Bücher und des Leders eines langen, abgenutzten Sofas, das zu einem gelegentlichen Nickerchen einlud. An den Wänden hingen gerahmte Drucke, eine Auswahl von Monet, Warhol und O’Keefe. In einer Zimmerecke fand ein imaginärer Luftkampf zwischen zwei Modellflugzeugen statt, einer britischen Spitfire und einer deutschen ME -109, die an dünnen Drähten hingen. Max bemerkte mit einem Lächeln, dass die ME -109 in Flammen aufging. In Dr. Bradfords Welt trugen offenbar noch die Guten den Sieg davon.
Ein großer Mahagonischreibtisch beherrschte den Raum, dazu gab es einen passenden Sessel, der von hinten durch ein großes Panoramafenster erhellt wurde. Der Blick führte auf den verschneiten Hof, wo gelegentlich ein Student der Kälte trotzte, die den Vorfrühling beherrschte. Ein schönes Büro, dachte er erfreut. Doch beim Anblick des Schreibtischs, der abgenutzt, zerkratzt und völlig leer geräumt war, zog er eine Augenbraue hoch. Das restliche Zimmer war angefüllt mit Büchern, was den leeren Schreibtisch noch stärker in den Mittelpunkt rückte.
Caroline durchquerte das Zimmer und justierte die Jalousien, um die grelle Morgensonne auszublenden. »Von hier aus hat man so ziemlich den schönsten Ausblick auf den Campus. In einem Monat können Sie die Blumengärten der Landwirtschaftsschule sehen.« Sie wandte sich um und bemerkte seinen viel sagenden Blick auf den leeren Schreibtisch. »Er hat … Dr. Bradford gehört. Ich wusste nicht, ob Sie Ihren eigenen Schreibtisch haben oder lieber diesen benutzen wollen.« Mit einer unbewusst zärtlichen Geste strich ihre Hand über die zerkratzte Platte. »Falls Sie ihn behalten möchten, werde ich Ihnen einen Katalog geben, aus dem Sie alles an Büromaterial, was Sie benötigen, bestellen können.«
Sie hob den Blick und sah ihn an, und er war nicht sicher, ob sie sich des Flehens in den blauen Tiefen ihrer Augen überhaupt bewusst war. Es war noch deutlicher als das Lächeln wenige Minuten zuvor. Dekan Whitfield hatte ihm gesagt, wie beliebt Bradford gewesen war. Offenbar übertraf die Zuneigung seiner Sekretärin noch die aller anderen.
Sie schluckte und wandte sich ab, doch er hatte das kummervolle Schimmern in ihren Augen trotzdem bemerkt. »Falls Sie … seine Sachen lieber nicht übernehmen wollen, lassen Sie es mich bitte wissen. Viele von uns sind nur zu gern bereit, sie an Ihrer Stelle zu behalten.«
Die Hand, die über die Schreibtischplatte strich, zitterte, und das weckte sein Mitleid, ein ungewohntes Gefühl, das ihn überrumpelte. Er besaß einen Schreibtisch, einen, den er vor Jahren extra hatte anfertigen lassen, doch allein der Gedanke, dass er an ihrem traurigen Blick schuld sein könnte, war ihm plötzlich unerträglich. »Ich würde es als große Ehre betrachten, wenn ich das Büro so, wie es ist, übernehmen dürfte, Caroline.« Ihre Erleichterung war überdeutlich spürbar. »Allerdings benötige ich etwas zusätzliches Mobiliar.« Er drehte sich um und maß mit den Augen den Raum ab. »Ich besitze eine Fußbank. Für mein Bein«, fügte er hinzu und zog ein wenig die Brauen zusammen. Sie verzog keine Miene und wurde auch nicht verlegen, was für sie sprach. Damit war sie in seiner Achtung gestiegen. »Und einen Computertisch.«
»Ich kümmere mich darum. Ist beides noch in Denver?«
»Nein, beides befindet sich in meinem Haus in Wheaton, etwa eine Stunde Fahrt von der Stadt entfernt.«
Caroline blickte erstaunt zu ihm auf. »Sie besitzen bereits ein Haus in Chicago?«
»Das Haus meiner Großmutter. Sie hat es mir vor ein paar Jahren überschrieben, aber einer meiner Neffen hat dort gewohnt und das Haus in Schuss gehalten. Man hat ihm eine Stelle an der Ostküste angeboten, und letzte Woche ist er dorthin umgezogen. Dekan Whitfields Angebot war geradezu …
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