Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
woraufhin sie sich gegen die Stuhllehne sinken ließ und ihren Kopf an seine Schulter lehnte. In Windeseile hatte er sie von dem Draht befreit, der ihre Hände fesselte, und sie kippte seitlich um. Er fing sie mit einem Arm auf und zerschnitt mit der anderen Hand ihre Fußfesseln. Dann blickte er in ihr Gesicht und musste ein Würgen bekämpfen. Die Hand, die das Messer hielt, ballte sich zur Faust, umfasste das Messer, als wäre es ein Dolch, und einen Augenblick lang stellte er sich vor, Winters das Herz aus dem blutenden Leib zu schneiden.
Ihr Gesicht …
Er hatte es blutig geschlagen, hatte ihr Kratz- und Schnittwunden zugefügt.
Er hatte ihr Schmerzen zugefügt.
Oh Gott.
»Caroline«, flüsterte er mit heftig klopfendem Herzen.
Sie schloss die Augen, doch ihm war die Beschämung darin nicht entgangen.
»Es tut mir Leid.« Sie formte die Worte mit den Lippen, es gelang ihr nicht, ihrer wunden Kehle einen Ton zu entringen.
Die Wut raste so wild in ihm, dass er unter dem gewaltigen Ansturm seiner Gefühle die Augen schloss.
»Du bist trotzdem schön«, flüsterte er und strich sanft mit den Fingerspitzen über eine unverletzte Stelle an ihrer Schläfe. »Ich liebe dich.«
Sie fiel vornüber, ließ sich von ihm halten. Er blieb auf den Knien hocken, umschlang sie mit den Armen und ließ sie behutsam zu Boden gleiten. Ihre Hand, ihre arme, geschundene Hand hob sich und umfasste seinen Nacken, zog seinen Kopf zu sich herunter, bis sein Ohr ihre Lippen berührte.
»Tom?«
»Ihm geht’s gut. Er ist bei David.«
Erleichterung machte sich in ihrem Körper breit. Sie zog Max wieder zu sich heran. »Kein Telefon hier. Wir können keine Hilfe rufen.«
Max schüttelte den Kopf. »Keine Angst. Ich habe einen Polizeibeamten mitgebracht.«
Sie ließ erleichtert die Schultern sinken. »Danke.« Sie versuchte zu lächeln und zuckte vor Schmerzen zusammen.
Winters war ein toter Mann.
Max wusste nicht, woher er diese Gewissheit nahm, aber er war sich vollkommen sicher. Er holte tief Luft, zweifelnd, ob er die Antwort auf seine nächste Frage wissen wollte.
»Hat er … Hat er …?« Er brach ab.
Caroline schüttelte den Kopf ein wenig in beide Richtungen. »Er hat es versucht. Er konnte nicht.«
Die Erleichterung haute ihn nahezu um. »Kannst du laufen?«, flüsterte er.
Sie atmete tief durch und bewegte die Finger, um die Durchblutung anzuregen. »Meine Füße«, flüsterte sie. »Sie waren seit gestern gefesselt.«
Max ergriff einen Fuß und begann, ihn kräftig zu massieren. »Wir müssen uns beeilen.«
»Max?«
Er hob den Blick, ohne die Massage zu unterbrechen. »Was denn, Liebling?«
»Der kleine Junge. Nicky. Geht’s ihm gut?«
Max schüttelte den Kopf und ergriff ihren anderen Fuß. »Ich weiß es nicht, Caroline. Detective Lambert ist der Meinung, er wäre noch hier in der Hütte.«
»Ich kann ihn nicht hier zurücklassen, Max«, flüsterte sie. Als er zu ihr aufsah, war ihr Blick klar und entschlossen. »Er ist noch so klein. Höchstens sechs Jahre alt.«
Max seufzte und bemühte sich, die Durchblutung ihrer Füße weiter anzuregen. »Ich bringe dich zuerst hier raus, dann kümmere ich mich um Nicky.«
Sie nahm seine Hand und unterbrach ihn bei seinem Tun. »Versprichst du es? Ich muss wissen, dass er in Sicherheit ist.«
Max sah sie an. Nun war keine Beschämung mehr in ihren Augen zu lesen, sondern die Willenskraft, von der Dana gesprochen hatte. Sie war eine Frau, die um ihr Leben gelaufen war, um ihr eigenes Kind zu retten. Sie konnte auch ein fremdes nicht im Stich lassen. Sonst wäre sie nicht Caroline gewesen. »Ich verspreche es, Liebling. Jetzt müssen wir uns beeilen.«
»Verdammt noch mal, runter!«
Tonis Warnung erfolgte einen Sekundenbruchteil, nachdem die splitternde Baumrinde auf Stevens Kopf prasselte. Er hockte sich nieder, ein dünner Baum war seine einzige Deckung.
»Er geht aufs Ganze, Steven«, flüsterte Toni, die sich neben ihn duckte. Sie legte sich auf den Bauch und zog ihre Waffe aus dem Schulterhalfter. »Danke, dass Sie ihn über unsere Anwesenheit informiert haben«, fügte sie sarkastisch hinzu.
Steven folgte ihrem Beispiel und legte sich flach auf den Boden. Sie hatte Recht. Sie hatte hundertprozentig Recht. Er hatte die Sache vermasselt, und sein Sohn und eine unschuldige Frau mussten jetzt womöglich darunter leiden. »Es tut mir Leid, Toni«, sagte er in aufrichtiger Demut. »Sie haben Recht. Was sollen wir jetzt tun?«
Toni hob den Kopf ein wenig und
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