Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
als ihr Mund ernst blieb. »Mrs Polasky! Wie können Sie so etwas sagen!«
Mrs Polasky musterte Max von oben bis unten, bis er sich vorkam wie ein Stück Rindfleisch im Supermarkt. »Ich bin alt, Schätzchen, nicht tot.« Sie blickte Max geradewegs in die Augen. »Wir mögen Caroline, verstehen Sie? Alle in diesem Haus mögen sie.«
Max nickte ernst. »Ja, Madam.« Er hatte nicht die geringste Ahnung, worauf sie hinauswollte.
»Gut. Wir sind zwar alt, aber wir alle mögen Caroline, und was mich betrifft, ich bin im Besitz einer Schusswaffe.«
Caroline schüttelte den Kopf und zupfte Max am Ärmel. »Gute
Nacht
, Mrs Polasky. Kommen Sie, Max.«
Sie öffnete die Tür zu ihrer Wohnung, und der orangefarbene Kater stelzte hinein, als wäre er der Besitzer. Der Fernseher lief, und in der Ecke lag eine rothaarige Frau zusammengerollt auf einem alten Sofa und schlief tief und fest. Caroline blieb stehen und betrachtete die Frau mit weichem Blick.
»Das ist meine beste Freundin Dana. Sie hat gestern die ganze Nacht hindurch gearbeitet«, flüsterte sie, »zwei Nächte hintereinander.«
»Was macht sie beruflich?«, fragte Max leise.
Caroline schwieg eine ganze Weile, so lange, bis Max sich fragte, ob sie ihn nicht gehört hatte. Dann seufzte sie, schaltete den Fernseher aus, ging zur Küche und bedeutete Max, ihr zu folgen. Er griff nach einem der Stühle, als er am Esstisch vorbeiging, und stellte ihn in die Küchenecke. Dankbar ließ er sich darauf nieder und spürte das schmerzhafte Pochen in seiner Hüfte.
»Dana leitet ein Frauenhaus. Manchmal verbringt sie ganze Nächte bei den Neuankömmlingen, die besondere Hilfe brauchen.«
Max spähte hinaus ins Wohnzimmer. Dana hatte sich nicht gerührt. »Warum ist sie hier?«
Caroline hob den Blick vom Kaffeebereiter, in den sie gerade Kaffeepulver löffelte. »Sie passt auf Tom auf.«
Tom. Ihr Sohn. Sein Magen krampfte sich zusammen. Er kam nicht sonderlich gut mit Kindern zurecht. Vielleicht schlief Tom ja schon. Vielleicht musste er den Jungen an diesem Abend noch nicht kennen lernen. Vielleicht …
»Mom.«
Max und Caroline fuhren gleichzeitig herum. Ein junger Mann stand in der Küchentür und füllte sie ganz aus. Dieser Junge sollte vierzehn Jahre alt sein? Er war mindestens sechzehn.
Caroline lächelte verunsichert, und Max erinnerte sich, dass sie gesagt hatte, sie ginge nicht so oft mit Männern aus, wie er glaubte. Für Tom war es offenbar eine ganz neue Erfahrung, einen fremden Mann in seiner Küche zu sehen. Nur so ließ sich das scharfe Misstrauen in den Augen des Jungen erklären, Augen von der gleichen Ausdruckskraft wie die seiner Mutter.
Max stand auf und streckte die Hand aus. »Ich bin Max Hunter. Du bist sicher Tom.«
Der Junge nahm seine Hand und schüttelte sie, wobei er ihn argwöhnisch beäugte. »Nett, Sie kennen zu lernen«, sagte er unverkennbar aus reiner Höflichkeit und zog seine Hand zurück. »Hattest du einen schönen Abend, Mom?«
Caroline lächelte erneut, und dieses Mal spiegelte ihr Lächeln deutlich wider, wie viel Spaß sie beim Essen mit Max und David gehabt hatte. »Ja, danke. Hast du deine MatheAufgaben erledigt?«
Tom grinste und sah in dem Augenblick aus wie eine größere Version seiner Mutter. Eine sehr viel größere Version. »Hab ich. Hast du mir was mitgebracht?«
Sie schlug mit einem Geschirrtuch nach ihm und verfehlte ihn nur knapp. Tom ergriff mit übertriebener Gebärde die Flucht. »Das heißt dann wohl nein.«
»Es heißt nein. Schläft Dana schon lange?«
Tom furchte die Stirn. »Seit sie hier ist. Und sie hat auch im Schlaf gesprochen. Sie hatte Albträume. Es ging um die Füße eines Babys.«
Caroline seufzte, und Max hatte das Gefühl, dass dieser Traum entweder häufig auftrat oder irgendeine Grundlage in der Realität besaß. »Ich kümmere mich morgen darum. Geh jetzt schlafen.«
Tom zögerte. »Darf ich vorher noch essen?«
Ohne mit der Wimper zu zucken, griff Caroline in den Kühlschrank und warf ihm einen Apfel zu. »Ins Bett.«
Tom sah aus den Augenwinkeln zu Max herüber. »Mom …«
Caroline schüttelte entschlossen den Kopf. »Das geht schon in Ordnung, Tom. Geh schlafen.«
Tom zögerte, sah Max lange an und zog sich dann in den hinteren Teil der Wohnung zurück.
Mit deutlichem Missbehagen blickte Max Tom hinterher und wandte sich dann Caroline zu, die ebenfalls ihrem Sohn nachblickte und an ihrer Unterlippe nagte. »Hören Sie, Sie sind müde, und Ihre Freundin braucht auch
Weitere Kostenlose Bücher