Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
verabschiedete sich Peter und ging.
Sie hatte sich bisher schon zweimal mit Sand getroffen. Das erste Mal nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus, da hatte sie sich an nichts erinnern können. Das zweite Mal, nachdem sie in das Haus auf der Klippe gezogen war. Da wollte sie sich nicht erinnern. Beide Male hatte er frustriert ausgesehen, sich aber wie ein Gentleman verhalten und sich bemüht, sich nichts anmerken zu lassen.
»Wir können hier entlanggehen.« Er ging die ersten Treppenstufen hoch und sagte über die Schulter: »Das ist doch angenehmer hier und auch weniger formell als in der Polizeidirektion, nicht wahr?«
»Schön haben Sie es hier«, erwiderte Felix, sie hatte das Bedürfnis, freundlicher zu sein als bei ihren vorherigen Begegnungen. Sand war ein angenehmer Mensch, Mitte fünfzig und sehr zuvorkommend. Er sprach immer mit gedämpfter Stimme, als wäre er es gewohnt, sich mit Menschen zu unterhalten, die bei dem geringsten Geräusch zusammenzucken könnten. Er trug dunkle Hosen und einen roten Rollkragenpullover und ging eher wie ein Seemann als wie ein Pilot, der er war.
Er führte sie in ein helles, modernes Büro mit Blick über den Brabrand See, der jetzt als Schlittschuhbahn benutzt wurde. Sand zeigte auf die Läufer.
»Das Eis ist eigentlich noch nicht dick genug. Und das bezahlt keine Versicherung, wenn da was schiefgeht. Am liebsten würde ich die Gardinen zuziehen, aber das wäre schade um den schönen Blick.«
Sie war kurz davor, ihm zu erzählen, dass sie als Kind auch auf diesem See Schlittschuh gelaufen war. Nachdem sie Spanienverlassen hatten, war sie in einem Mietshaus in Brabrand aufgewachsen. Wenn sie wollte, könnte sie von dort aus das Haus sehen, in dem ihre Eltern auch heute noch lebten.
»Aber liegt es nicht in der Natur des Menschen, immer bis an seine Grenzen zu gehen?«, sagte sie stattdessen.
Er lächelte und bot ihr einen Stuhl an.
»Ich befürchte, dass Sie recht haben. Es gibt Neuigkeiten.«
Sand schob ihr einen Ordner über den Tisch.
»Wir haben jetzt einen vorläufigen Bericht vorliegen. Ihr Mann hat eine viersitzige Robinson 44 geflogen. Das ist ein handelsüblicher und verlässlicher Hubschraubertyp. Die Sicherheit ist optimal, das Fahrzeug hat einen Safetyfaktor von 3,5. Das bedeutet, dass mehrere Faktoren gleichzeitig eintreten müssen, bevor es zu einem Absturz kommt.«
Ihr Mund fühlte sich trocken an.
»Soll das heißen, dass wir einfach furchtbar viel Pech hatten?«
Er sah sie wohlwollend an und schüttelte den Kopf.
»Nein, das soll heißen, dass wir nicht mehr an einen Unfall glauben. Allerdings könnte auch nur ein Fachmann das Fahrzeug so manipulieren, dass es wie ein Unfall aussieht. Das kann nicht jeder x-Beliebige tun.«
»Aber wer …?«
»Das haben wir auch mit unserem Mechaniker besprochen.«
»Glauben Sie, er hat es mit Absicht getan?« Sie kämpfte gegen ein Zittern in der Stimme.
»Das könnte sein. Aber das können wir nicht beweisen. Außerdem leuchtet uns nicht ein, warum er das getan haben sollte.«
Nach dem, was sie mittlerweile über Eriks zweites Gesichtwusste, hätte sie diese Neuigkeit nicht weiter überraschen dürfen. Dennoch war sie schockiert.
»Der Hubschrauber ist in Millionen Teile zersprungen«, sagte Sand. »Es grenzt an ein Wunder, dass Sie das überlebt haben. Aber zum Glück geschehen manchmal Wunder.«
Vor wenigen Tagen noch hätte sie ihm widersprochen. Sie hatte sich gewünscht, bei dem Absturz ebenfalls umgekommen zu sein.
»Der Hergang des Absturzes deutet daraufhin, dass etwas mit dem Heckrotor nicht stimmte«, fuhr Sand nach einer kleinen Pause fort. »Das ist praktisch die einzig mögliche Erklärung. Aber diesen Defekt hätte der Zuständige beim obligatorischen Pre-Flight-Check feststellen können und müssen.«
»Aber nicht, wenn man derjenige ist, der den Defekt hervorgerufen hat«, warf Felix ein.
Sand nickte.
»Ganz genau.«
»Ich erinnere mich, dass wir uns gedreht haben«, sagte sie. »Und dass Erik plötzlich anfing, an irgendwelchen Knöpfen herumzuschalten.«
Sand holte ein paar Fotos aus dem Ordner. Es war eine Serie von Aufnahmen eines Hubschraubers, der eindeutig in Schwierigkeiten war und sich um die eigene Achse drehte.
»Wenn der Heckrotor ausfällt, muss man den Motor ausschalten und dafür sorgen, den Hubschrauber so schnell wie möglich in die Autorotation zu bekommen. Ansonsten dreht sich die Kabine entgegengesetzt der Hauptrotordrehrichtung. Diese Drehung führt dazu,
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